Danke für diesen Hinweis auf diesen Artikel. Ich nehme ihn als Anstoss um ihn zu kommentieren.
Zuallererst aber möchte ich sagen: Islam ist eine Lebensweise, ein innerer Weg, den man nicht verstehen, geschweige denn beurteilen kann, ausser man GEHT ihn! Immer wieder kann man darüber staunen, welch grosse Erleichterung, welches Glück er dem Individuum bringt, das ihn annimmt und welche Stärke denjenigen, die in ihm "geprüft" werden (z. B. derzeit Flüchtlinge aus Syrien, die man hier antreffen kann) und die in ihrem Glauben mitnichten wanken. Und um ihn gehen zu können braucht es die "Strukturen", die, ja, GOTT SEI DANK nicht eng ausgelegt werden dürfen/gar "müssen", sondern seit jeher flexibel und weitmaschig sind. Von wegen "sich bis jetzt nicht weiterentwickelt hat"... auch Necla Kelek räumt ein, dass der "Beitrag islamischer Denker zur Philosophiegeschichte.... in den letzten fünfhundert Jahren kümmerlich" sei - vorher nämlich war die Muslimische Welt ein höchst dynamischer Tiegel des Wissens aller Art und hat das "Abendland", das damals in dieser Hinsicht in teils beklagenswertem Zustand war, reich befruchtet!
Und es stimmt NICHT, dass "der Islam es in seiner Geschichte versäumt hat, diesen theologischen Diskurs zu führen", wie sie vorausschickt. Ganz im Gegenteil - und das ist einer der Punkte, durch welche die "Salafisten" sich zu Aussenseitern machen, da sie den Wert dieser Auseinandersetzung abstreiten - gab es eine intensive Auseinandersetzung der Muslime mit sämtlichen Denkrichtungen und eine Spiegelung derselben im Islam - die allerdings zum Stillstand gekommen ist. ENTWICKLUNG allerdings verstehe ich als eine zyklische Entfaltung der Möglichkeiten, nicht als eine "lineare", richtungsgebundene Sache. Und insofern kann man mit Fug und Recht behaupten:
Islam stellt einen wunderbaren Rahmen zu Verfügung, innerhalb dessen alle dem Menschen zuträglichen Möglichkeiten Platz zur Entfaltung bekommen können!
Ändern sich denn Naturgesetze? Genauso wenig ändern sich die Konditionen unter denen die menschliche Seele quasi zum "Erblühen" kommen kann. Aber die Blüten selbst können durchaus variieren!!
Man kann jedoch nicht leugnen, dass Stillstand stattgefunden hat. Warum? Das fragen sich viele Muslime - ich habe es mich auch gefragt und frage immer noch. Eine Antwort, die mir schlüssig erscheint, ist die, dass durch die Technisierung der Welt ein Prozess in Gang gekommen ist, der jeglicher Spiritualität abträglich ist. (z. B. M. Heidegger beschreibt diese Entwicklung sehr stimmig.) Das "Instrument" durch das diese Technisierung/"Technologisierung" möglich wurde, ist das Zinssystem, ein System, das den Faktor Zeit in unsere Transaktionen "einbaut" - was im Islam verboten ist!
Nicht nur der "Positivzins" sondern auch der "Negativzins", wie ihn z. B. die Gesellianer durch eine Gebühr auf ruhendes Geld erheben wollen. Es gibt im Islam genaue Vorschrift für eine möglichst unmittelbare Transaktionsweise - vor allem bei Zahlungs- und Grundnahrungsmitteln, diese unterliegen strengeren Vorschriften als andere. Durch die Missachtung dieser Gebote haben die Muslime ein "Leck" im "Gebäude" des praktizierten Islam geschaffen, das nicht zu flicken ist - ganz sicher nicht (wie derzeit auf vielen Ebenen praktizier wird) durch eine immer engere, gewalttätigere Handhabung des übrigen, eigentlich grosszügig angelegten Gebotskodexes. Das ist ein grosser Schaden der hier angerichtet wird und der immer mehr zerstört! Spiritualität - und sie ist Kern jeder Religion - benötigt einen soliden Boden, derjenige (Boden) der "Jagd nach Gelegenheiten und Möglichkeiten" nach möglichst unmittelbaren "Bedürfnisbefriedigungen" welche die "Nutzbarmachung des Faktors Zeit" mit sich bringt, ist ihr diametral entgegengesetzt.
Muhammad (Friede sei auf ihm) hat die aktuellen Zustände allerdings im Detail vorausgesehen - sie sind uns also "vorherbestimmt", Teil des göttlichen Plans mit dem wir nun halt zurechtkommen müssen. Letztendlich geht es ja eben NICHT um die (stützenden) Strukturen sondern alleine um die innere Hinwendung zu Gott - die durchaus auch Schwierigkeiten überwinden soll.
Noch kurz zu einigen anderen Textstellen:
Es gibt über zehn anerkannte «Lesarten» des Korans, d. h. Arten, wie der arabische Text vokalisiert wird. Es gibt aber weit mehr Arten, wie er verstanden werden kann. Tatsächlich ist der Islam aufgrund seiner Geschichte eine Religion der Beliebigkeit. Und das liegt an seinem Buch, dem Koran, und an der Herrschaft der Vorbeter, die seit tausend Jahren einen innerislamischen Diskurs verhindern. Wir wissen alle: Religionen sind nicht vom Himmel gefallen, sondern haben eine Geschichte. Auch der Koran hat seine historischen Quellen. Betrachten wir den Koran als ein Stück Literatur, dann müssen wir feststellen, dass er in seiner Struktur vollkommen inkohärent ist.
Doch, der Qur`an ist nach Ansicht gläubiger Muslime eben schon "vom Himmel gefallen"! Als "göttliche Offenbarung" nämlich - und hat aber auch eine Verwurzelung im räumlich - zeitlichen sowie das Potential zur Anpassung an Gegebenheiten. Wie oben angesprochen ist es ja genau das mögliche Spektrum der Auslegung, welches Islam zu einer durchaus menschengerechten Religion macht! Wohl gab es den Diskurs inner - wie ausserislamisch! Will man uns einerseits eine starres Festhalten an "Unveränderlichem" vorwerfen, um handkehrum zu behaupten, unser Glaube sei eine "Religion der Beliebigkeit"? Diese Behauptung zeigt höchstens das eigentliche Desinteresse der Autorin an und/oder Unwissen über die Thematik. Denn Kelec ist dafür bekannt, dass es ihr nicht um eine ausgewogene Darstellung des Islam geht sondern darum, ihre eigene Position zu rechtfertigen!
Die Gelehrten des sunnitischen Islam waren sich in Zeiten eines "gesunden Islam" - trotz Divergenzen im Detail - sowohl über die einzuhaltenden Grenzen einig als auch - in der Mehrheit - grosszügig und weise genug, sich gegenseitig trotz dieser unterschiedlichen Auffassungen zu anerkennen und respektieren! Erst in jüngerer Zeit ist das Hick - Hack ausgeartet - meiner Ansicht nach eben darum, weil an grundlegenden Fehlern nicht gerüttelt werden soll - niemand will auf die Kredite der Weltbank, auf die Errungenschaften moderner Technologie und auf die Profite aus dem Öl - business verzichten... Das ist der Preis dafür : vollendetes Chaos!
Nur weil Kelek die Koheränz des heiligen Qurân nicht nachvollziehen kann/will bedeutet das noch nicht, dass sie nicht existiert!
Ironischerweise hat hat gerade die moderne Quantenphysik - als (vorläufige) "Spitze der Technologie" eben das bewiesen: dass das Geschehen auf der Ebene des Innersten nicht nach gleichen Prinzipien abläuft, wie an der Oberfläche der Dinge! Und das ist auch der Grund, warum ein wahrhaftiges Verständnis des heiligen Qur^an nur dem "Insider" vergönnt ist, der sich die Schrift im tiefsten Herzen zueigen macht: weil sie rein rational nicht ausreichend verständlich ist.
Die Christen haben sich seit dem ersten Konzil in Nizäa im Jahr 325, also schon dreihundert Jahre vor Mohammeds Auftreten, organisiert und institutionell um ihr Glaubensbekenntnis gestritten und führen diesen Diskurs um ihren Glauben bis heute fort. Das war und ist von Rückschritten und Fehlurteilen begleitet, führt aber dazu, dass die christlichen Kirchen in der Lage sind, ihre Lehren den Gegebenheiten anzupassen. Die islamische Lehre hat sich solcher Erneuerung verweigert.
Wie gesagt, dieser Diskurs hat innerhalb des Islam sehr wohl auch stattgefunden. Allerdings sollte es nie darum gehen, sich POLITISCH - wirtschaftlich anderen "Gegebenheiten" anzupassen als denen des Islam. Denn eigentlich sollte die muslimische Gemeinschaft eine in sich geschlossene sein. Es ist - nebst einer inneren Haltung der Schwäche und der Desorientierung - im "Äusseren" vor allem die Abhängigkeit von der Weltbank durch die Obligation der Zinszahlungen an diese, welche alles "durcheinanderbringt" - wäre wohl an der Zeit, dass sich ein Diskurs vor allem auch darum innermuslimisch etabliert!
Das gesamte Rechtssystem der Scharia ist darauf gerichtet, die herrschende Gemeinschaft, die Umma, zu bewahren, und klammert das aus, was wir unter «Gesellschaft» ? zum Beispiel Rechte des Individuums ? verstehen.
Was ist das für ein abstruser Vorwurf? JA, die Gemeinschaft ist im Islam sehr wichtig, ist als Rahmenbedingung nicht wegzudenken. Aber in keiner anderen Religion die ich kenne ist das Individuum gleichzeitig so direkt Gott "unterstellt" und letztendlich alleine für sich selbst verantwortlich. Eherecht/Erbrecht sowie der gesamte Inhalt des Qur^an richtet sich doch zuallererst ans Individuum?!
In einer «Kriminalgeschichte des Islam» könnte man belegen, dass die islamische Religion von Mohammed bis heute immer die Legitimierung von patriarchalischer Herrschaft und Gewalt eingeschlossen hat.
Im Gegensatz zum Christentum versucht der Islam nicht, menschliche Verhaltensweisen zu selektieren hingegen aber doch zu "veredeln". "Gewalt" bezw. Kriegführung sowie z. B. Körperstrafen sind daher unter sehr streng gefassten Bedingungen möglich. (Schon deshalb kann z. B. ISIS von Muslimen nicht anerkannt werden, weil diese Bedingungen nicht erfüllt werden, Guerillia ist nicht denkbar und sie disqualifizieren sich auch als ernstzunehmende Muslime, da sie in keinen Dialog mit der muslimischen Mehrheit treten, die sie von vornherein als "fehlgeleitet" einstufen.) "Patriarchalisch" ist der Islam höchstens insofern, als in seinen Strukturen das männliche Prinzip als das "äussere" gilt - daher auch als dasjenige, welches im weltlichen Agieren und Ent - scheiden den Vorrang haben soll. Damit ist aber mitnichten eine Degradierung des Weiblichen gemeint - im Gegenteil. Dieses stellt nach verbreitetem Verständnis eher den "Kern" dar, den es zu schützen und zu achten und auf den es unbedingt zu hören gilt - eine Haltung, die von unserem Propheten, Gott segne ihn, so praktiziert wurde und die man in islamischen Ländern innerhalb der Familien durchaus noch beobachten kann! Nirgends sonst besteht für "Gewalt" eben gerade durch ihre Miteinbindung ins Ganze eine so weise Möglichkeit der Handhabe wie im Islam.
Dass derzeit die Salafisten mit ihrer regressiven und tumben Ideologie bei Muslimen einigen Erfolg haben, hängt unter andrem damit zusammen, dass es im Islam keinen Standard an Wissen und Bildung in eigener Sache gibt, sondern «Taqlid», die fraglose Übernahme des Vorgegebenen, die Imitation des Ewiggleichen, vorherrscht.
Hier muss ich N. Kelek leider recht geben - was die "Salfisten" und was unsere Zeit betrifft. Aber dann muss sie einen Punkt machen! Die Behauptung, dass es grundsätzlich "keinen Standard an Wissen und Bildung in eigener Sache" gibt, wird durch die Geschichte - trotz Taqlid - ausreichend widerlegt. (Was spricht dagegen, die Ansichten derer vor uns mit einzubeziehen?) Es fehlt aber weitgehend an einem qualifizierten Diskurs, der die Koordinaten des Islam in der heutigen Zeit neu bestimmt. Aber nicht aus dem Blickwinkel eines "säkularen Staates" - sondern anders ansetzend. Es ginge darum, die Geschichte, die umfassenden Kulturen und die Wissenschaften in ihrem Stand des Hier und Heute ins Visier zu nehmen und aus der Perspektive des Islam zu beleuchten sowie eine (gegenseitige) Befruchtung zu erlauben. Gott sei Lob und Dank habe ich für mich diejenigen Muslime gefunden, die dies in Angriff nehmen - es gibt also Ansätze, mögen sie Vollendung finden! Und übrigens: viele der Dichter und Denker letzter Jahrhunderte haben den Islam viel besser erfasst als die Politiker der Moderne - es ist gar nicht möglich, Islam nur politisch zu verstehen! Dies verdreht ihn zum sogenannten "Islamismus" - das heisst, zur Ideologie und das ist Islam NICHT!
Die friedliebenden Muslime werden den Fundamentalisten so lange argumentativ hilflos gegenüberstehen, solange sie nicht bereit sind, auch den Koran als historischen und zu hinterfragenden Text und den Zweifel als legitim zu betrachten. Die Islamwissenschaft muss einen historisch-kritischen Umgang mit den überlieferten Schriften betreiben, die Muslime müssen in einen Diskurs um ihren Glauben eintreten und sich und anderen beweisen, dass ihre Religion im säkularen Staat angekommen ist. ? Es reicht aber das allein kaum, denn solange Angst und Furcht das Verhältnis zu Allah bestimmen, werden auch die Gläubigen nicht frei sein.
Nein, die friedliebenden Muslime können nicht durch Argumente sondern nur durch Taten wieder glaubwürdig werden! Dieser geforderte historisch - kritische Umgang wird schon längst betrieben, zeigt sich jedoch heutzutage leider in sich überfordert, da wie gesagt nicht alle Aspekte davon beleuchtet werden. Angst und Furcht ist ein dem Menschen innewohnender Zustand. Gottgegeben. Wir fürchten uns vor allem unbekannten, das wir nicht verstehen, nicht kontrollieren können und spätestens, wenn jemand dem Tod nahe kommt, muss er dieser Angst begegnen. Ich habe das oft genug erlebt und Menschen am Ende ihres Lebens ihren Herrn anrufen hören, die vorher behaupteten, "keinen Zugang" zu haben. Angst und Furcht kann auch schon zu Lebzeiten als Triebkraft für mutige Taten und als Ansporn zum Entdecken von Neuem, Finden von Lösungen dienen. In Bezug auf den Urgrund unseres Seins, das wir "Gott" oder "Allah" nennen ist sie meines Erachtens mehr als angebracht. Was nicht bedeutet, dass wir uns IHM nicht mit Liebe annähern sollen - nur sie eröffnet uns das wahre Verstehen!
Nun, ausführlich ist es jetzt geworden. Ich konnte es nicht kürzer machen, wollte Dir als meinem Bruder eine "anständige" Antwort, - soweit ich sie geben kann - nicht schuldig bleiben.
Der Islam ist nicht in einer Sackgasse, viel eher schon offenbaren sich zunehmend andere "Sackgassen" - natürlich inklusive derer, die "Islam" höchstens auf ihre Fahnen schreiben. Im Islam gibt es immer eine Tür, die offen, einen Weg, der begehbar ist - man muss ihn nur sehen wollen!
Hope, you enjoyed!
Viele Grüsse A.
Zitat von HanelDanke S.A.M. & Vergelt's Gott
Überzeugend auf den Punkt gebracht!
Innerhalb vom Zinssystem - kann (dieser Mechanismus ist der Religion inneliegend) der ISLAM nur in der Aktivierung seiner System zerstörenden Aspekte wahrgenommen werden.
Hat DIES schon jemals wer gedacht und/oder geschrieben?
Denn das seit tausenden Jahren gepflogene Wirtschaftssystem des kapitalistischen Zins- und Zineszinssystem ist eines, welches jene, die sich seiner bedienen und/oder sich diesem ausliefern in das gegenseitige MORDEN treibt. Dies ist nicht einfach eine leicht dahergesagte Behauptung, sondern kann von jedem Mathematiker, der sich mit einem anderen aufrichtigen Naturwissenschaftler ZUSAMMENTUT eindeutig bewiesen werden.
Auch die indianische Kultur der natürlichen Weisheit wusste dies IMMER schon.
Nur nachhaltiges Wirtschaften garantiert das Überleben und die zyklische Entwicklung - nicht das Streben entlang einer - alles vernichtenden - geometrischen Kurve.
Noch sind wir zuwenige, die dies wirklich begreifen und zu ändern wünschen - obgleich ALLE Muslime, Christen und Juden hier einig sein MÜSSTEN. Frage: Warum sind SIE es nicht?
Falls Dich das Thema wirklich interessiert, hier noch ein sehr guter Artikel von A. Hottinger zum Thema: Die Frage des Terrorismus
Auszug daraus : "Abschliessend gebe ich zu bedenken: Europäer die überzeugt sind, dass sie genau wissen, was Islam sei, ohne die Sache wirklich studiert zu haben, begehen den gleichen Fehler wie die Islamisten. Beide machen sich ein sträflich vereinfachtes Islambild zurecht, so wie es ihnen gefällt und ihrer politisch-ideologischen Zielsetzung dient, ohne sich an die historisch gewachsenen und durchaus komplexen Gegebenheiten dieser Weltreligion zu halten. Wenn Muslime sich dies tun, schaffen sie die Grundlagen für islamistischen Terror. Wenn Europäer es tun, helfen sie mit, diese Grundlagen auszubauen. Sie arbeiten an der Vertiefung des Grabens zwischen muslimischen und westlichen Gesellschaften, und sie verleihen dadurch der pseudo-islamischen Ideologie der gewalttätigen Islamisten zusätzliche Glaubwürdigkeit."
Und auch das alles ist viel qualifizierter als das oberflächliche (nur scheinbar "wissenschaftliche") Lamento von Kelek:
Debatte um «Töten im Namen Allahs»: «Den» Islam gibt es nicht