Würde man alles Wissen, das den Menschen eigen ist und je eigen war, Ideen und Erfahrungen, Einfälle und Konzepte, die besprochen und in schriftlicher Form beschrieben wurden, zu unserem Besten umsetzen, könnte man unsere heutige Welt in politischer, ökologischer, ökonomischer, spirituell ? religiöser Hinsicht ? inklusive aller der menschlichen körperlich ? seelischen Gesundheit dienlicher Aspekte - bestimmt mehrfach zu einem (viel) angenehmeren, gesünderen, weniger gefährlichen und gefährdeten Lebensraum gestalten. Wenn man sich allerdings frägt, wo Wissen umgesetzt wird, wo gute ? manchmal absolut lebensnotwendige - Ideen Niederschlag im Praktischen finden, wird man nur sehr vereinzelt und marginal fündig werden. Im Gegenteil, es scheint, dass sehr viele, auch beste menschliche Ansätze und Anstrengungen im Sand verlaufen, wie von magischer Hand in ihr Gegenteil verdreht werden oder von einem gigantischen ?schwarzen Loch? absorbiert werden ? wenige hören davon, fast niemand nimmt davon Notiz. Uraltes Wissen, uralte Weisheit ist auf einmal verschwunden, ist nicht mehr ?modern?, wird nicht mehr ?gebraucht? ? sinnvolle Impulse, Änderungen oder Neuerungen werden- wie ?verhext? - wirkungsneutral gemacht.
Man darf oder muss sich wohl fragen, was die Ursache dafür ist und wie man mit dieser Tatsache umgehen kann ? um eventuell die Strategie zu wechseln und die Elemente des uns Wertvollen doch in unsere gelebte Gegenwart zu retten.
Eigentlich sollte man meinen ? und dies wird ja überall unablässig betont - dass wir, hier im ?Westen? der Welt jedenfalls, in einer Demokratie leben, wo jeder Mensch (und somit auch jede Idee) die grösstmögliche Freiheit und die umfassendste Möglichkeit zur Entfaltung hat. Noch nie in der Geschichte der Menschheit, so wird suggeriert, war der ?homo erectus? auf so einem hohen Niveau, ?frei?, ?fortschrittlich? und ?entwickelt?. Folgerichtig sollte doch eigentlich jede hehre Anstrengung der Menschen, jede Bemühung, die in Richtung eines (?noch mehr? ) verbesserten oder bereicherten Menschseins geht, jede gute Idee, die unser Leben lebenswerter machen könnte, Leid und Missständen entgegenwirken könnte, auf fruchtbaren Boden fallen, oder doch zumindest Resonanz zeigen. Es sollte dasjenige zur Kenntnis genommen werden, das im Laufe der menschlichen Geschichte erarbeitet wurde und nützlich wäre zur Gestaltung einer ?besseren Welt? ? gerade in Zeiten, in denen der Bedarf danach besteht wie nie zuvor. Dass auch in der ?besten? der Gesellschaften (wie auch immer jeder einzelne sich diese vorstellen mag) solange es Menschen gibt, Fehler und Mängel auftreten, kann nach einer so langen Erfahrung der Menschheitsgeschichte nicht mehr bezweifelt werden ? und muss also ein Stück weit hingenommen, ?entschuldigt? werden. Dass jedoch so vieles, das verbessernd, heilsam wirken und eingreifen könnte, gar nicht wahrgenommen wird, wenig zum Ausdruck und fast nicht zur Wirkung gelangt, kann man sicher nicht einfach klaglos hinnehmen. Dass zudem Menschen ihr zutiefst Eigenes, Individuelles, sogar zunehmend elementar Menschliches in immer geringerem Mass zu leben und entwickeln in der Lage sind, wie es in der heutigen Welt der Fall ist, kann wohl auch nicht als ?Höhepunkt der menschlichen Entwicklung? gesehen werden. Während wir hier in unseren Breitengraden eher als in manchen anderen Ländern die Möglichkeit haben, unsere Regenten zu wählen, unserem Unmut über gesellschaftliche und politische Missstände an der Wahlurne, an Demonstrationen Ausdruck zu verleihen, sind in weniger ?entwickelten? Staaten meist Despoten an der Macht, die ? nicht ohne enge Zusammenarbeit mit den Mächtigen der Welt ? ihre Völker unterdrücken und ausbeuten. Sehen wir allerding genauer hin, kommen wir nicht umhin zu bemerken, dass unsere Freiheit zwar auf den ersten Blick weiter gefasst ist, als die der Bevölkerung anderer Länder, dass jedoch auch unser Leben im Grunde genommen in ziemlich eingeschränkten Bahnen verläuft. Neue ?Tabus? haben alte ersetzt, die ?Freiheit? hat sich genau betrachtet als zweischneidiges Schwert herausgestellt, das sich in zunehmendem Mass als gegen unser menschliches Wohl gerichtet entpuppt. Auch sind wir so frei gar nicht, wie wir es uns gerne einreden möchten ? wenn auch die Beschränkungen weniger von (despotischen) Familien- und Staatsoberhäuptern ausgehen, werden wir doch einerseits immer drängender mit den Folgen unserer ?Verantwortungsfreiheit? konfrontiert und schnüren sich andererseits die Bande der Vorschriften und Regelungen in allen Details des Alltags immer enger, aufdringlicher und vereinheitlichender um uns. ?Demokratie? bedeutet ?Volksherrschaft?. Es gibt verschiedene Formen der Demokratie ? denn da es ja einer zentralen Führungsstelle doch überall bedarf, kann man nicht alles allen überlassen, das bedeutete Chaos. Schon seit Plato und Aristoteles werden die möglichen Ausformungen der ?Demokratie? daher auf sehr verschiedene Weisen beschrieben. Es gibt heutzutage z. B. die Begriffe der direkten Demokratie, der repräsentativen, der republikanischen oder der liberalen Demokratie und aus diesen wiederum viele Mischformen. Die liberale Demokratieform zum Beispiel sollte diejenige sein, welche dem einzelnen Bürger die maximale Selbstbestimmung zuteilt? auf der Basis des ?Konkurrenzprinzips? ? man sieht hier also sofort eine Parallele zur ?liberalen Marktwirtschaft?. Der Bürger soll hier anders als in der republikanischen Demokratie, welche eher von der ?Bündelung? der Menschen in Gemeinden und somit von einem eher repräsentativen System ausgeht, wo Vertreter gewählt werden - selbst ?sein Herr? sein und auf diese Weise die ?Machthaber kontrollieren? können. Da jedoch die Menschen nicht umhinkommen, sich in allen Lebensbereichen in Gemeinschaften zu formieren und zu organisieren, kann dieses Prinzip doch sehr wohl problematisch werden, kann zu Chaos und Willkür führen und ruft unwillkürlich auch ein wenig das Bild der ?Katze, die sich in den Schwanz beisst? hervor. Wenn wir uns denn mit unseren Machthabern nicht einig sind, nicht hinter ihnen zu stehen vermögen ? wie organisieren wir uns dann anderweitig? Denn wie gesagt, gemeinschaftlicher Konsens, gemeinschaftliches Erleben und Vorgehen sind aus jeder menschlichen Lebensform nicht wegzudenken.
Werfen wir einen Blick auf die Situation der Menschen in unserer ?modernen Welt?, sehen wir hier sofort eine Art ?Globalisierung? sämtlicher Lebensbereiche oder anders gesagt eine tiefgreifende Umwandlung mit daneben hergehender Gleichschaltung all dessen, was früher als die verschiedenen ?Kulturen? bezeichnet wurde. Noch nie zuvor war alles dermassen vernetzt, noch nie war ?Kultur? ? vor allem die ?Jugendkultur? in so hohem Mass kongruent auf der ganzen Welt. Wir können fast überall auf der Welt ähnliche Dinge konsumieren (jedenfalls sind die ganz grossen Konzerne überall präsent) - haben gleiche Filme und Fernsehprogramme, die Jugend auf der ganzen Welt teilt gleiche Internetinhalte, Musik, dieselben Kleidermarken, Automarken, elektronische Produkte?. lesen dieselben ?Zeitungen? - d.h. beziehen Informationen immer mehr aus einer Quelle. Es ist der MARKT, der sich weltweit gleicht und der die neue ?Kultur? prägt. Hier finden wir unser gemeinschaftliches Erleben. Hier werden Bedürfnisse neu geschaffen, geformt und zufriedengestellt. Für fast jeden Lebensbereich und für fast jedes menschliche Bedürfnis finden wir auf diesem globalen Markt Entsprechung. Der Markt gibt die Richtung unseres Denkens und Handelns, auch Fühlens an ? zumindest versucht er es. Er bestimmt den Inhalt des Bildungssystems entscheidend mit, gibt Richtlinien im Gesundheits ? und Sozialsystem an, dirigiert die Entscheidungen der Politiker aus dem Hintergrund. Der Markt hat die Herrschaft der Herrschenden ersetzt und beherrscht diese - gestützt durch Kartelle und Lobbys, gespeist durch ein globales Währungssystem, welches den Markt aufbläht, ?reguliert?. Durch Zins und Zinseszins und Spekulationen an der Börse, die alles mit einschliessen, was dem Menschen ehemals heilig war, ist dem Wachstum keine Grenze gesetzt ? im Gegenteil, es ist nicht mehr möglich Einhalt zu gebieten, wollen wir nicht den totalen Zusammenbruch und Neuanfang in Kauf nehmen. Wir sind gefangen in der Dynamik eines Systems, das der gesunden menschlichen Natur zuwiderläuft ? eines Systems, das sich unter dem Vorwand der ?Volksherrschaft? des Menschen unverantwortliche, schwächende zerstörende Eigenschaften zunutze macht. Wohl ?herrscht? da das Volk ? beherrscht und angetrieben von seinem eigenen ?niedrigen Selbst?. Eine Konsequenz der globalen Vernetzung ist merkwürdigerweise auch die Vereinsamung einzelner Menschen. Es findet immer weniger direkter Austausch zwischen Menschen statt, (Dorf ? Familien- und Lebens - )Gemeinschaften fallen auseinander, der Einzelne sieht sich in immer grösserem Umfang sich selbst überlassen. Wir kommunizieren zu einem grossen Teil miteinander über bestimmte Hilfsmittel, übers Telefon, Handy, Internet. Unser gesamter Austausch findet überwiegend über Umwege statt ? örtlich und zeitlich verschoben ? zumindest sind (sehr mächtige) ?Zwischenschaltstellen? involviert, die die Bedingungen des Austauschs mitbestimmen. So natürlich auch im Waren- und Dienstleistungsaustausch, einer der grundlegenden ?Verbindungselemente? der Menschen untereinander. Wollen wir uns also wieder zunehmend authentisch austauschen, unsere Menschlichkeit in ihrer Vielfalt nach eigenem Gutdünken leben und entwickeln, müssen wir wohl hier ansetzen! Müssen unseren menschlichen Austausch in viel grösserem Ausmass auf kleinere, persönlichere aber wirkungsintensivere Kreise konzentrieren. Wir kommen da nicht umhin, ein Stückweit ?auszusteigen?, ?Parallelgesellschaften? aufzubauen ? so schlecht der Ruf dieser sein mag. Aber es soll ja nicht darum gehen, eine ?Parzelle? zu bilden, die andere Menschen ausschliesst, geschweigenden bekämpfen will ? im Gegenteil. Im Zentrum jedes Gedankens zu Verbesserung der Lebensumstände steht der MENSCH ? jeder Mensch! Es sollten Möglichkeiten geschaffen werden, für Menschen, die ihr Menschsein anders verstehen, als die grosse Masse es heute versteht ? oder auch einfach nur hinnimmt. Nichts ist so wertvoll, so schöpferisch, so bereichernd und heilsam wie ein möglichst umfassendens menschliches Miteinander. Nichts anderes auch wird uns wieder zur Ruhe bringen in dieser Welt des Aufruhrs. Weder im ?Westen? noch im ?Osten? noch irgendwo auf der Welt können wir Frieden, Ausgleich und Gerechtigkeit finden ohne eine Besinnung auf ganz andere, ?befreite? Formen des menschlichen Miteinanders.
Wohl haben wir ? wie auf der ?Titanic? - verschiedene Möglichkeiten, mit unserer Situation umzugehen, sind darin ?frei?! Wir können uns zum Orchester gesellen, das sich entschlossen hat, einfach weiterzuspielen. Können uns dem Genuss und Hedonismus anheimgeben, der Liebe vielleicht, können unsere Fehden weiter austragen. Wir können aber auch versuchen, in aller Ruhe die vorhandenen Rettungsboote zu benutzen ? wenn wir früh genug damit beginnen, vielleicht auch ein ganz neues, nach unserem Geschmack bauen ...