Die deutsche Wochenzeitschrift ?der Spiegel? titelte in einer ihrer jüngsten Ausgaben ?Macht der Angst ? wie ein Urgefühl den Menschen lähmt und beflügelt?. Interessant zu lesen, dass ein Gefühl wie Angst auch ?beflügeln? soll. Bemerkenswert auch, dass ein Magazin, das überwiegend politisch orientiert ist und für seine durchaus pragmatische, schnörkellose Sichtweise bekannt, sich diesem Thema auf der Titelseite widmet und es ausführlich behandelt.
Andere Magazine und Tageszeitungen thematisieren die Angst oft im Zusammenhang mit der wirtschaftlichen Flaute oder mit dem ?Ausländerproblem?. Die Angst quasi als Reaktion auf eine (willkürlich herausgehobene) Gegebenheit.
Der ?Spiegel?- Artikel beginnt mit der Beschreibung zweier Knaben namens Steven und Bill, beide schüchtern, ?schutzbedürftig?, von anderen verspottet und verprügelt. Keine ?echten Jungs?, in ihrer Ängstlichkeit einigen Mädchen näher. Die Eltern schickten Steven zum Psychologen. Dennoch wurde Bill Gates zum reichsten Mann der Welt, Steven Spielberg zu einem der erfolgreichsten Regisseure. Und sie sind in ?guter?- oder jedenfalls erfolgreicher ? Gesellschaft: viele, auch publikumsgewohnte Menschen wurden von Ängsten, Phobien, Panikattacken gequält. Es ist erhebend und erleichternd, zu lesen, dass Angst ?eine der mächtigsten Triebfedern des Lebens? sein soll, dass man gar ?ängstlich sein muss, um Grosses zu vollbringen? (B. Bandelow, Psychiater). Es versieht die Angst, die man ja in der Regel als etwas durchaus lästiges bis höchst unangenehmes empfindet, mit einem Wertetikett, welches ihren ?Besitzer? berechtigt, ein wenig stolz und froh zu sein, etwas so wertvolles sein Eigen nennen zu dürfen.
Die Disposition zu einer ängstlichen oder angstanfälligen Grundhaltung, so belegen verschiedene langjährige Studien, ist angeboren und bleibt ein Leben lang bestehen. Man kann sie nicht ?eliminieren?, kann sie sich nicht ?abgewöhnen?. Einzig lernen, damit umzugehen ist möglich und hierbei ist die übrige eigene Veranlagung einerseits und andererseits die Beschaffenheit und das Verhalten der Umgebung ausschlaggebend. Ein verständnisvolles und vertraueneinflössendes Umfeld ist ebenso vor grossem Vorteil wie z. B. Charaktereigenschaften wie Neugier und Lebenslust. Es ist ja auch durchaus vorstellbar, dass sich z. B. Mut und Entschlossenheit neben die Angst stellt und dass man so befähigt wird, dem, was Angst macht, die ?Stirn? zu bieten. (Vielleicht haben die tapfersten Krieger im Grunde ganz viel Angst?!) Auch dies übrigens belegen jene Studien!
Um dem Verständnis der Angst auf tiefer, metaphysischer Ebene näher zu kommen, wenden wir uns kurz den Überlegungen S. Kierkegaards in seiner Schrift ?der Begriff Angst? zu. Der Philosoph und Theologe Sören Kierkegaard sieht die existenzielle Angst quasi als ersten Schritt aus der ?Unschuld? und ?Unwissenheit? des Menschen hin in Richtung Unterscheidungsfähigkeit, Wahrnehmung der Wahrheit. Die Angst, im Unterschied zur Furcht (vor etwas Bestimmtem, ?Greifbarem?) sei ?die Wirklichkeit der Freiheit als Möglichkeit vor den Möglichkeiten?! Der menschliche Geist ? welcher den Mensch überhaupt erst zum Menschen mache, das Bindeglied zwischen Körper und Seele darstelle - hat Angst ?vor sich selbst? da er ?sich selbst nicht loswerden kann? ? aber auch (noch) nicht fähig ist, ?sich selbst zu ergreifen?. In diesem (?Zwischen?-) Zustand sei das Wissen um Gut und Böse noch verdeckt (denn der Geist neigt dazu, sich als ?träumender Geist? zu verhalten!) und ?die ganze Wirklichkeit des Wissens projiziert sich in der Angst als das ungeheure Nichts der Unwissenheit?! *
Es ist nötig diese tiefe Betrachtungsweise eines gewiss ?seelenkundigen? Menschen kurz zu streifen, auch wenn wir uns im Alltag zumeist mit Ängsten und Befürchtungen reduzierten Ausmasses konfrontiert sehen. Zwar nehmen die grossen, ernsthaften Angststörungen und Panikattacken in unseren Breitengraden offenbar in erschreckendem Mass zu, dennoch sind es wohl die ?kleineren? Ängste, die die überwiegenden Stolpersteine in unseren Leben darstellen. Menschen haben Angst vor (Konfrontation mit) anderen Menschen, vor Krankheit, vor Dunkelheit, vor bestimmten Tieren, vor unerwarteten Ereignissen, die wir als bedrohlich für unser Selbst- und Weltbild einordnen, vor dem Tod, vor dem Leben. Wir haben Angst vor Kontrollverlust, vor Blosstellung, vor dem Versagen, vor dem Vereinsamen, der Sinnlosigkeit. Es gibt zudem verschiedensten ?Phobien? (spezifische Angststörungen), die sich auf ? für die Mehrheit der Menschen jeweils ? absurde ?Angstobjekte? beziehen können ? die am meisten verbreiteten davon vielleicht die Höhenangst, die Angst (in Menschenmengen oder z. B. Liften) eingeschlossen zu sein, Angst, vor Publikum zu sprechen, die soziale Phobie (von Menschen bewertet zu werden), Angst vor dem (allem?) Fremden. Die Angst vor dem Zahnarzt, vor dem Autofahren, Fliegen, (weit hinaus) Schwimmen, Angst vor Schlangen, Spinnen, Zecken, Injektionen?. etc etc. (Man kann die verschiedenen Phobien in Wikipedia nachlesen und darüber - teilweise - staunen!)
Angst ist grundsätzlich mit dem Gefühl verbunden, dass eine Sache einem ?eine Nummer zu gross? ist, dass man sie nicht versteht, nicht ?im Griff? hat, dass sie einem (noch) fremd ist. Sie gibt einem das Gefühl der Enge, der Bedrohung, der Verstand nimmt wahr oder mutmasst, dass man den eigenen Körper oder die eigene Seele (oder die anderer Menschen, z.B. Kinder) nicht mehr in ausreichender Weise schützen könne. Insofern hat Furcht und Angst natürlich die überaus wichtige Funktion der Sensibilisierung des Menschen (oder des Tiers) zur Erkennung einer Gefahr sowie zur Mobilisierung von Kräften, um dieser Gefahr entgegenzutreten, sie zu ?bekämpfen? ? oder ihr auf andere Weise beizukommen bezw. das Objekt der Angst zu meiden. Angst kann ? vor allem als diffus empfundene Emotion, ohne festzumachendes ?Objekt?, das sie auslöst - aber auch überaus quälend sein, kann Menschenleben massiv beeinträchtigen bis zerstören ? vor allem dann, wenn man einen (möglicherweise bloss inneren) ?sinnlosen Kampf? ficht, gegen Bedrohungen, die entweder keine sind, nicht zu orten sind oder denen man mit Abwehr nicht beikommen kann.
In einer Zeit, in der Angststörungen, Panikattacken beim Einzelnen sowie (natürlich auch von Medien hochgeschaukelte) Massenängste massiv zunehmen, sind wir wohl aufgefordert, darüber nachzudenken, was es mit all dem auf sich hat und wie man die verschiedenen Ängste, Befürchtungen und Phobien (auch Neurosen, Psychosen) handhaben soll, wie man ihnen auf möglichst sinnvolle Weise begegnen kann. Denn der Emotion ?Angst? an sich kann man sich nicht so leicht entziehen. Man ist gezwungen, sich mit ihr auseinanderzusetzen (wie mit allen anderen Emotionen auch) und ihr einen Sinn abzuringen.
Solange wir also etwas tun können, um Ängsten und Befürchtungen (oder ihren Auslösern bezw. ? vermeintlichen - praktischen Konsequenzen) quasi vorzubeugen, werden wir das also tun. Wir können uns und unsere Kinder vor den Gefahren des Lebens allgemein sowie denen des heutigen im Speziellen schützen, indem wir uns selbst wie dem Nachwuchs die bestmögliche Erziehung zukommen lassen. Wir können uns disziplinieren, den ?Karren? nicht einfach laufen lassen, ohne ihn gross zu steuern, der Bequemlichkeit folgend, sondern den eigenen Verstand einsetzen. Wir können uns über alle Lebensbereiche informieren und diese Informationen (massvoll!) anwenden. Können (so Gott will) aus gemachten Erfahrungen lernen und praktische Konsequenzen ziehen. Wir können auch Yoga, Tai ? Chi, Kampfsportarten, Sport allgemein machen, uns an der frischen Luft aufhalten, uns sorgsam ernähren, um unseren Körper gesund und im Gleichgewicht zu halten. Bei alldem aber bleibt immer noch ein weites Feld an Gegebenheiten übrig, das ganz einfach nicht unserer Kontrolle unterliegt, dem wir hilflos gegenüber stehen ? das also Angst machen kann!
Die Schwierigkeit ist hier, wie so oft im Leben, dort einen ?Punkt? zu machen, wo wir uns überfordern würden, aus dem Gleichgewicht kommen würden oder Gewalt einsetzen müssten (was grundsätzlich wohl ein Resultat der Überforderung ist) ? und das was nun übrig bleibt an Faktoren, die uns bedrohen, einfach stehen zu lassen, zwar wahrzunehmen aber nur auszuhalten. Hier setzen die eher ?passiven Strategien? zur Angstbewältigung ein, die jedoch oft einen genauso grossen Kraftaufwand beanspruchen! (Wie viel Kraft kostet z. B. eine durchwachte Nacht mit Angst und Sorgen um eine/n nicht zur vereinbarten Zeit zu Hause eintreffenden Jugendliche/n ? auf dem Handy ist der ?Teilnehmer nicht erreichbar??..!!)
Die meisten angstbesetzten Situationen allerdings bestehen aus einer Kombination von Aushalten und Agieren. Man kann sich zwingen, jemandem gründlich die Meinung zu sagen, trotz Angst. Man kann sich einfach auf den Sessellift setzen, auch wenn man unter Höhenangst, leidet. Man kann es sogar lernen, (auch sehr grosse) Spinnen (in einem Glas z. B. mit Karton darüber) aus der Wohnung zu entfernen. Und man wird erfahren, dass solche mutigen Aktionen sehr zufriedenstellend sein können, ja, dass grosse Angst eventuell mit der Zeit einem ebenso grossen Gefühl der Freiheit dahinter Platz macht! Auf einmal ist Sesselliftfahren wunderschön, man hat nämlich einen tollen Ausblick, schwebt ?über den Dingen?. Im Flugzeug noch mehr, ist doch eigentlich ein tolles Gefühl, zu fliegen! Man kann sich sogar die Vorstellung, im Lift stecken zu bleiben, ?schönreden?, denn sie hätte ja den grossen Vorteil, dass man endlich mal Ruhe vom Stress des Alltags hat! (Dieser Aspekt ist sogar realitätsnäher als jeglicher angstbesetzte, denn dass man irgendwann wieder freikommt ist mehr als wahrscheinlich!) ?.Na ja, Spinnen entfernen hat mir persönlich noch nie Glücksgefühle beschert ? aber zumindest ein Gefühl der Befriedigung ? sie sind dann weg!
Wir können also froh und dankbar sein, wenn wir die Gelegenheit bekommen, uns mit Angstobjekten in der Realität konfrontieren zu dürfen ? denn sie dienen als Meilen- (oder doch Zentimeter -) Steinchen auf unserem Weg in die (grosse) Freiheit! Lassen uns dieser Wirklichkeit der Freiheit als Möglichkeit vor den Möglichkeiten näher kommen, die uns ?zum Menschen macht?, die uns als geistbeseelten (und bitte nicht bloss träumenden!) Wesen unsere eigene Realität mehr und mehr zu eigen werden lässt!
Schützen sollten wir uns - in der heutigen Zeit sowieso! - vor allem vor dem, was uns in unserer Traumwelt gefangen hält, unsere Lebendigkeit, Kreativität, unsere Lust an allen Aspekten, allen Herausforderungen des Lebens zerstört, unser Potential als Menschen versickern und erlöschen lässt, uns letztendlich zu Marionetten irgendwelcher verantwortungsloser, für alles Wertvolle gefährlichen Machtstrukturen verkommen lässt und unsere Seelen ?verlorengehen? (weil sich abspalten) lässt! Und somit vor dem Unwissen, vor dem Nichtigen - in der Sprache des Qur?an al Batil ? im Gegensatz zu al Haqq, dem Wahren. (Dass dies übrigens nicht die Muslime und noch weniger der Islam sein kann, muss wohl hier nicht extra erwähnt werden?.Und: wir wären nicht Muslime, ginge es uns nicht genau um diese Unterscheidung!)
Sowieso ist wohl der Grund aller Angst dieser ? die Furcht vor dem Abgleiten ins NICHTS. Vor der Auflösung oder Zerstörung alles dessen, dem wir Wert beimessen. Wir können dem nur entgegensetzen, was WAHR und was EWIG ist. Dies ist Gott, ALLAH, unser und allen Lebens Schöpfer und Erhalter. Nur indem wir lernen auf IHN zu vertrauen, können wir lernen, uns der Angst in all ihren Ausprägungen zu stellen, sie zu ?übergeben? ? auf dass sie sich wandle! Nur in der permanenten Ausrichtung auf IHN in unserem Denken und Handeln sind wir sicher, aufgehoben, als ganze Menschen, nur unter Seinem Schutz ist unsere Entfaltung auf optimale Weise gewährt.
Bevor wir also, wie z. B. ?Steve? den Psychiater aufsuchen (oder doch zumindest gleichzeitig) sollten wir es damit versuchen, unsere Angst im ganz grossen Sinnzusammenhang zu erfahren ? über die Quelle jeder umfassenden Heilung. Denn ER hat uns im Qur? an versprochen:
5:69 Diejenigen, die glauben, und diejenigen, die Juden sind, und die Sabier und die Christen, alle die, die an Gott und den Jüngsten Tag glauben und Gutes tun, haben nichts zu befürchten, und sie werden nicht traurig sein.
18:29 Und sprich: Es ist die Wahrheit von eurem Herrn?.
*Sören Kierkegaard ?Der Begriff Angst/Die Krankheit zum Tode? marix Verlag, Seite 52