Bundesrätin Micheline Calmy-Rey (EDA) Bundeshaus West CH-3003 Bern
Zürich, 14. Juni 2010
Betreff: Israelischer Terror gegen zivile Bevölkerung und humanitäre Helfer
Sehr geehrte Frau Bundesrätin
Zu allererst möchten wir uns für all Ihre Bemühungen um die Freilassung von Herrn Max Göldi aus libyscher Gefangenschaft recht herzlich bedanken und Ihnen unsere diesbezügliche Hochachtung zum Ausdruck bringen. Diese widerrechtliche und launische Antwort auf die Vorfälle in Genf lässt jeden Bezug des libyschen Machthabers zu einer für uns alle verträgliche Realität vermissen. Wir haben seinen ursprünglichen Aufruf zum Dschihad nur als jähzornigen Ruf eines geistig verwirrten Menschen empfunden. Sie können sicher sein, dass die Schweizer Muslime diesen Mann nicht ernst nehmen.
Wir Schweizer Muslime vom Muslimischen Studenten- und Akademikerverein ?Freitags-club? loben Ihre mutigen Initiativen, Ihre Bemühungen hinsichtlich des Friedens und der Humanität und Ihre klare Haltung zum Völkerrecht. Auch Ihre deutlichen Aussagen auf internationaler Ebene zählen zu den Stärken Ihrer Aussenpolitik.
Jegliche Handlung Israels scheint aber ein Tabuthema für die ganze Welt einschliesslich der Schweiz zu sein. Dies folgern wir aus der Medienmitteilung des EDA, in der nur ?Be-sorgnis? und ?Bedauern? ausgedrückt und lediglich eine ?Untersuchung der Umstände? verlangt wird. Auf diese Weise schwebt in der Medienmitteilung eine Art grundsätzliches Verständnis für das israelische Vorgehen mit.
Einmal mehr hat Israel gezeigt, dass jedes Mittel Recht ist, um die palästinensische Be-völkerung von allen Lebensgrundlagen abzuschneiden und im "Freiluftkäfig Gaza? zu halten. Die Zeit spielt deren Politik in die Hände, wenn den Palästinensern die Lieferung wichtiger Lebensgrundlagen immer länger verwehrt wird. Sobald es nicht mehr auszuhal-ten ist und Palästinenser sich gegen die Besatzung, die Vertreibung und den Landraub wehren, dann legitimiert die Besatzungsmacht Israel ihre Gewalt erst recht damit. Fast scheint es so, dass die Palästinenser sich nicht verteidigen dürfen und nur Israel ?legitime Sicherheitsbedürfnisse? anführen darf. Im Gazastreifen leiden die Menschen infolge der israelischen Besatzung und des Staatsterrors unter unbeschreibbarer humanitärer Not. Es mangelt an allem, was für die Grundversorgung von Nöten ist.
Israels Vorwand zur Legitimierung des Staatsterrors ist der Antisemitismus. Das Unglück der Juden aber ? die Pogrome und der Holocaust selbst ? können sicherlich nicht den Palästinensern angelastet werden. Europas Schuldgefühle sind eine Angelegenheit Euro-pas selber und die Palästinenser sehen nicht ein weshalb sie darunter leiden sollen.
Wir fragen uns, warum die Schweiz mit ihrer humanitären Tradition nicht den Mut hat, diesen barbarischen Akt aufs Schärfste zu verurteilen, wie sie es bei vergleichbaren Ver-gehen anderer Staaten und Akteuren vorbildlich macht. Falls dieser Staatsterror mit der Tötung von neun humanitären Helfern von einem anderen Staat verübt würde, hätte es die Völkergemeinschaft kaum in dieser Art hingenommen. Unser moralischer Anspruch zwingt uns, auch diese mit Menschenrechten unvereinbaren, unmenschlichen und brutalen Aktionen gegenüber der zivilen Bevölkerung zu verurteilen und für Gerechtigkeit ein-zustehen. Wir sind zutiefst bestürzt über den israelischen Staatsterror.
Als Schweizer Muslime vom Freitagsclub wünschen wir von unserem Land, dass alle zur Verfügung stehenden Mittel eingesetzt werden, um diese Not zu lindern. Des Weiteren bitten wir ? gemeinsam mit der SIG Jugendabteilung, der Muslimischen Jugend Schweiz (Ummah) und des Mevlana Kulturvereins Dübendorf ? die Bundesregierung diesem per-manenten Unrecht entgegenzutreten und das israelische Vorgehen mit klarer Sprache zu verurteilen. Will die Schweiz ihre Glaubwürdigkeit hinsichtlich der Haltung zu den Men-schenrechten in der Welt nicht verlieren, muss die Vorgehensweise gegenüber Israel und den Palästinensern geändert werden. Folgerichtig müssten militärische, wirtschaftliche und wissenschaftliche Beziehungen zu Israel umgehend sistiert werden, bis Israel das Völkerrecht einhält, uneingeschränkt humanitäre Hilfe in den Gazastreifen einlässt und den Siedlungsbau bzw. den Landraub, die Enteignung und Vertreibung der Bevölkerung ein-stellt.
Vielen Dank für Ihren unermüdlichen Einsatz und Ihre Bemühungen im Voraus.
Mit freundlichen Grüssen
FREITAGSCLUB - Muslimische Studenten- und Akademikerverein