Immer und immer wieder hört und liest man diese Versicherung seitens der Muslime an die Adresse derjenigen, die dem Islam Aggressivität und Gewalttätigkeit zuschreiben wollen. Es klingt leider meist ein wenig nach beflissener Beschwichtigung, nach angestrengter Erklärung aus der Ecke der Defensive. Wir wollen uns und unsere Religion verteidigen, wollen sie gerne so darstellen, dass wir als Muslime möglichst gut abschneiden im Kontext des vorherrschenden Meinungsbildes. Auch möchten wir signalisieren, dass wir ja nichts Böses im Sinn haben und somit möglichst bitte einfach als Muslime ?in Ruhe gelassen werden?, akzeptiert werden. Ein sehr verständlicher Standpunkt im Hinblick auf all die Unterstellungen und Drangsalisierungen, denen wir uns derzeit ausgesetzt sehen. ?Friede? ist ja ? gerade im Hinblick auf die wirklich grossen Gefahren, die unsere moderne Zeit in sich birgt ? sowohl im ?äusseren? Sinn als auch in Bezug auf die im Menschen schlummernden Kräften wie Wut, die aus einem unbefriedigend gelebten Menschsein, Mangel an echten Lebensinhalten, Bedrohung der Existenzgrundlagen etc. entstehen ? auch eine durchaus legitime Zielsetzung. Nur müssen wir etwas genauer differenzieren zwischen ?Waffenstillstand?, (?Zurückhalten von Aggression?) und ?Friede? im ganzheitlicheren Sinn. Es ist natürlich nicht zu leugnen, dass das Bedürfnis nach Friede ein sehr tiefes Bedürfnis im Menschen ist, von Grund auf in ihm angelegt und natürlich auch in diesem Sinn tatsächlich in der Wortbedeutung von ?Islam? enthalten.
Wenden wir uns der Wortbedeutung von ?Islam? aber ein bisschen genauer zu. Wir finden z. B. im Buch ?Al-Aqida? von Amir Zaidan folgende Definition:
?Al Islam? bezeichnet in der arabischen Linguistik:
1. Al-Inqiyad: die Gefügigkeit, Unterwerfung, Willfährigkeit 2. As- Silm : die Versöhnung, das Frieden ? Schliessen, den Frieden 3. Al-Istislam: das Sich ? Fügen, Sich ? Ergeben, die Hingabe
Nun sehen wir deutlich auf den ersten Blick, dass diese Sichtweise einen dynamischen Prozess beschreibt. Es ist hier nicht ein ?Friede? gemeint, der quasi statisch, unbeweglich ist. Nicht der ?Friede?, der dem Häschen vor der Schlange (oder der Schlange in dem Moment) eigen ist, auch nicht der (vorübergehende) ?Friede? zweier gleichwertiger Kräfte, die übereingekommen sind, diese Kräfte derweil ruhen zu lassen. Es ist hier nicht ?Friede? im Gegensatz zu Krieg, Aggression oder Unruhe? gemeint! Ganz im Gegenteil, viel eher das Frieden ? Finden MIT und DURCH all die grossen Kräfte und Konflikte, die sowohl im Menschen als auch in dessen Beziehungen zu anderen Menschen und der Schöpfung insgesamt liegen ? in der Unterwerfung unter Gottes Wille!
Um die Thematik noch von einem anderen Winkel des Islam her zu beleuchten: es gibt auch im islamischen Finanzwesen den Begriff ?Salam (oder ?Salaf?)? Vertrag , deutsch ?Pränumerationsvertrag? und hier bedeutet ?Salam? linguistisch ?etwas im Voraus zahlen?. Es geht dabei also um eine Leistung, die im Voraus zu entrichten ist, wobei der Käufer hier eine Schuldverpflichtung gegenüber dem Verkäufer eingeht ? dieser ?Käufer? (?Gläubiger?!) ist hier der ?Muslim?!! Er ?erkauft? sich also etwas, das ihm versprochen wird, indem er etwas anderes übergibt. So besehen bekommt der Begriff ?Islam? eine konkretere und auch etwas andere Bedeutung als die, die aktuell vorherrschend mit dem Begriff ?Friede? assoziiert ist!
Der Muslim gibt also etwas, um im Gegenzug etwas zu bekommen. Was ist dieser ?Preis?, der zu zahlen ist, für den Frieden in Form von Gottes Wohlgefallen? Wir sollen unser Wollen dem Willen Allahs taala in allen Belangen des Lebens unterordnen. Unser Hoffen, Wünschen und Lieben sowie auch unsere Aggression, unseren Zorn und alle unsere Kräfte und Fähigkeiten in Allahs Weg, FÜR IHN einsetzen, gemäss der Anleitung in Qur?an und Sunna. Wir sollen dies mit GANZEM EINSATZ tun, nicht etwa irgendetwas zurückhalten, sondern alles in die richtige Bahn leiten!
Nichts hat der Friede, den wir auf diese Weise Stück für Stück erreichen mit dem ?Friede ? Freude - Eierkuchen? ? ?Frieden? zu tun, der Ähnlichkeiten aufweist mit manchem heute zirkulierenden Fehlverständnis des Begriffs ?Liebe?. Weder Friede noch Liebe sind in ihrem wahren Gehalt ?Schiffchen? mit denen man die Widrigkeiten des Lebens gewandt umschiffen kann oder soll - sondern ganz im Gegenteil! Beides fordert uns im Kern unserer Essenz heraus. Lässt nichts aus, lässt uns keine Möglichkeit zum Rückzug. Es ist also der ?grosse Djihad?, der ?Djihad gegen das Nafs?, der hier gefordert ist, neben der Anbetung Allahs taala das Kernstück des Islam, im Austausch gegen das Wohlgefallen Allahs subhanahu wa taala. Dieser ?Djihad? hört auch nicht etwa bei unserem Nafs auch wieder auf, er erstreckt sich auf unsere nähere und weitere Umgebung auf alles Geschaffene, auf das wir Einfluss nehmen können. Dass die Gemeinschaft der Muslime wie ein Körper ist, der fiebert, wenn auch nur ein kleiner Teil davon krank ist, wissen wir. Dass wir die Pflicht haben, alles Schlechte zu beseitigen und das Gute zu etablieren ist auch klar, dass wir in diesem Sinn auch die Verpflichtung zum Erwerb von Wissen sowie zur Da?wah haben und die Umwelt und die Umma mit aller Kraft zu schützen, ergibt sich von selbst. Es bleibt also eigentlich nicht so viel Zeit und Raum für ?Friede? im Sinne von ?Ruhen?! Dieser Friede kann nicht gemeint sein!
?Meinen die Menschen, sie würden in Ruhe gelassen werden, wenn sie bloß sagen: «Wir glauben», und sie würden nicht auf die Probe gestellt? Wir stellten doch die auf die Probe, die vor ihnen waren. Also wird Allah gewiß die bezeichnen, die wahrhaftig sind, und gewiß wird Er die Lügner bezeichnen." (Bubenheim Sure 29, 2-3)
"Oder habt ihr etwa gedacht, dass ihr in Ruhe gelassen würdet, ohne dass ALLAH diejenigen unter euch kenntlich macht, die Dschihad geleistet und außer ALLAH, Seinem Gesandten und den Mumin keine Vertraute genommen haben?! Und ALLAH ist dessen allkundig, was ihr tut." - Sure 9, 16 (Zaidan)
Solange wir leben beinhaltet Islam, Frieden, viel an Mut und Demut (=Dien-Mut!), bedeutet die aktive Rückkehr zu unserem Ursprung, ALLAH taala.
?Ya ayatuhal Nafsul Mutmainna rji'i ila Rabikki radiatan mardia?. (Oh du beruhigte Seele! (27) Kehre zurück zu deinem Herrn wohlzufrieden und mit (Allahs) Wohlwollen. (28 ) So schließ` dich dem Kreis Meiner Diener an. (29) Und tritt ein in Mein Paradies. (30) (Sure 89, 27 - 30)