Die Meinungsfreiheit, der Dialog und die Medien. Eine Betrachtung der Vorkommnisse um die Antirassismuskonferenz
Unsere moderne Welt ist geprägt von vielen wirtschaftlichen und sozialen Problemen. Eines der grössten Probleme ist jedoch das Unverständnis anderen Völkern und Kulturen gegenüber und das fehlende Gemeinschaftsgefühl der Menschheit. Man ist geneigt die Welt in kulturelle Territorien zu unterteilen und dann von ?uns? und den ?anderen? zu reden. Die vorherrschende Meinung auf der Welt ist ja auch die, dass dieser Umstand sich nicht ändern kann, da der Mensch grundsätzlich egozentrisch ausgerichtet ist. Und darum, davon geht man aus, werden sich kuturell verschiedene Entitäten wohl oder übel bekämpfen müssen. Ganz besonders aufgebauscht und von einigen Kreisen offenbar erwünscht ist die Konfrontation der muslimischen mit der christlich- (westlichen) Welt. Die These des ?Clashs of Civilizations? von Samuel Huntington wird häufig als Beleg dazu herangezogen.
Es gibt aber auch viele Menschen auf der Welt, die statt eines zwingenden Zusammenpralls an einen Dialog und ein friedliches, kooperatives Neben- und Miteinander glauben und sich auch dafür einsetzen. Als ein solches Beispiel könnte die Schweiz genannt werden, hinsichtlich sowohl deren nationale wie auch internationale Politik. Traditionell verhält sich das Land bei internationalen bzw. ausländischen Konflikten neutral. Die Schweiz steht aber nicht einfach passiv daneben, sonder hält an der essentiellen Bedeutung der Aufrechterhaltung des Dialogs fest. In dieser Hinsicht ist in unserer heutigen Zeit besonders ihre Vermittlerrolle in den USA- Iran Beziehungen zu erwähnen. Ist es doch selbstverständlich, will man eine Konfliktlösung finden, dass beide Parteien miteinander kommunizieren müssen.
Ein ausgezeichnetes Beispiel dafür hat die Schweizer Delegation hinsichtlich der Rede Ahmedinejads bei der Antirassismuskonferenz in Genf gegeben, als sie den Saal bei seiner Rede nicht verliess. Man verwies auf das Recht der freien Meinungsäusserung als Grundvoraussetzung jeglichen Dialogs. Wenn dieses Recht den Menschen gewährt wird, sollte man anderern Meinungen zumindest auch zuhören. Wieso aber fragt man sich, haben die restlichen europäischen Staaten den Saal verlassen? Stehen diese nicht wie die Schweiz hinter der Meinungsäusserungsfreiheit? Wieso haben bedeutende Länder wie Deutschland oder die USA ihre Teilnahme an der Konferenz schon vorzeitig abgesagt? Wieso haben sie Angst zu hören, was der iranische Präsident sagen wird? Unserer Meinung nach konnten die Diplomaten entweder nicht ertragen, die Wahrheit zu hören oder sie standen unter Druck von mächtigen Partikularinteressen einzelner Länder oder Lobbys. Stellt sich die Frage, was denn nun den Eklat gebildet hat: Die Rede Ahmedinejads oder die Haltung der westlichen Diplomaten?
Die Rede von Mahmud Ahmedinejad war insofern positiv, weil sie bestimmte Missstände auf der Welt anprangerte und dazu auch Lösungsvorschläge anbot. Tatsache ist allerdings auch, dass an der Glaubwürdigkeit des Redners Zweifel angemeldet werden. Viele Staaten kritisieren berechtigterweise ihrerseits die Menschenrechtslage im Iran. Ganz allgemein stellt sich aber die Frage, ob man der Wahrheit lauschen will oder man vorher schaut, von wem sie kommt. Unserer Meinung nach ist das Gesagte wichtig und nicht wer gesprochen hat; eine wahre Tatsache bleibt wahr, egal ob ausgesprochen oder nicht bzw. von wem ausgesprochen.
Wer die Rede Ahmedinejads gelesen hat, wird feststellen, dass er nirgends antisemitische oder allgemein rassistische Äusserungen macht. Auch den Holocaust leugnet er nicht: ?Nach dem Zweiten Weltkrieg haben sie unter der Begründung der Judenopfer und unter Missbrauch des Holocausts, durch Offensive und Feldzug ein Volk vertrieben und einige aus Europa und den USA und anderen Ländern, in deren Territorium gebracht und eine total rassistische Regierung auf dem besetzten Boden Palästinas errichtet?. Er wirft den westlichen Mächten vor, den Holocaust missbraucht zu haben. Dem Zionismus attestiert er rassistische Züge: ?Der internationale Zionismus ist Symbol eines reinen Rassismus und hat unter Verfälschung der Religion versucht, die religiösen Gefühle einer Reihe von unwissenden Menschen auszunutzen, um dahinter sein hässliches Gesicht zu verbergen.? Und bezüglich Israel sagt er: ?In Wahrheit haben sie [die westlichen Mächte] unter dem Vorwand des Ausgleiches rassistischen Unheils in Europa an einem anderen Ort, nämlich in Palästina, die brutalsten Rassisten an die Macht gebracht.? Was daran ist denn nun effektiv falsch? Hat den niemand in Europa auf hoher politischer Ebene den Mut, der Wahrheit ins Gesicht zu schauen, ganz zu schweigen davon, sie auszusprechen? Ist es denn nicht so, dass die arabischen Israelis, also die Araber, die auf israelischem Boden unter den Juden leben, nicht die gleichen Rechte besitzen, wie jüdischen Israelis? Soll man die teilweise Vertreibung der Palästinenser aus ihrem Land aus der Geschichte streichen? Sind die jüngsten Ereignisse in Gaza nicht ein Beweis dafür, dass das israelische Regime den Menschen im Gazastreifen nicht ihre verbürgten Menschenrechte zuerkennt? Wie sonst kann man erklären, dass für die Tötung von einer Handvoll Hamas Aktivisten tausende von Unschuldigen geopfert werden? Baut der israelische Staat nicht Mauern um Dörfer und Städte, um die dort lebenden Menschen zu isolieren und verelenden zu lassen? Seit der Installierung dieses Staates wird den Palästinensern bis zum heutigen Tag Stück um Stück ihr Land und damit ihre Lebensgrundlage genommen und die westliche Welt sieht einfach weg. Ja darf man denn in Betrachtung dieser Fakten nicht zum Schluss kommen, dass das israelische Regime rassistische Züge trägt ist? Liegt das ausserhalb der freien Meinungsäusserung oder ist der Begriff rassistisch per se für Israel und Israelis nicht anwendbar? Wenn Ahmedinejad das zu Wort bringt und bestimmte Staaten seine Rede boykottieren, wie will man dann überhaupt einen Dialog führen? Ahmedinejad fordert für die Errichtung einer gerechten Welt, wörtlich: ?Der wichtigste Weg zum Kampf mit solchen Erscheinungen [Rassismus] besteht demnach darin, die Allgemeinkenntnis und das Allgemeinverständnis hinsichtlich des menschlichen Daseinssinns und der Wahrheit einer Welt, die den Schwerpunkt beim Menschen setzt, zu verbessern und dies erfordert oder ergibt sogleich die Rückkehr zu den spirituellen und ethnischen Werten und den Tugenden des Menschen und seine Hinwendung zu Gott.? Als Muslim hat man an dieser These nichts auszusetzen. Aber wenn man auch gegen diese Meinung sein sollte, ist nicht die blosse Anhörung dieser These von ihm unerlässlich für den Dialog? Mit dieser Einstellung erstaunt es auch nicht, dass die ganze Diskussion nicht um den Inhalt der Konferenz und den Lösungsvorschlägen geführt wird, sondern sich die Diskussionen nur um einen Mann drehen. Es kommt unweigerlich der Verdacht auf, dass man gar nicht diskutieren und am vorherrschenden System, der ja nach unserer Meinung erst Rassismus hervorruft, rütteln will, sondern die Aufmerksamkeit möglichst in künstliche Diskussionsbahnen lenken will, um den Lösungsvorschlägen keine Chance zu geben. Es müssten vor allem die Inhalte und Forderungen an solchen Konferenzen diskutiert werden.
Damit diese Forderungen von den Massen gehört werden können, sind die Medien gefordert. Jedoch ist die Haltung der westlichen Medien wie üblich. Auch damals in einer im März 2008 gehaltenen Rede von Ahmedinejad berichteten alle Medien, der Präsident habe zur Vernichtung Israels und aller Juden aufgerufen. Wie sich jedoch später herausstellte, rief er nicht zur Vernichtung der Juden auf, sondern sagte: ?Dieses Besatzungsregime muss von den Seiten der Geschichte (wahlweise: Zeiten) verschwinden?. Er stellte sich also gegen das von ihm als rassistisch bezeichnete Besatzungsregime von Israel und nicht allgemein gegen Juden. Die Medien können oder wollen wohl nicht zwischen Antisemitismus und Antizionismus unterscheiden. Auch im jüngsten Beispiel haben die Medien Falschmeldungen verbreitet. Er soll eine Hassrede gehalten haben. Er sei ja sowieso ein Holocaust Leugner. Er sei ein Verbrecher. Doch nirgends konnten die Zeitungen und das Fernsehen diese Aussagen zitieren. Auch hatte keines der meist gelesenen Blätter die ganze Rede abgedruckt. Hätte es das Internet nicht gegeben, wären auch wir unmöglich zu seiner Rede gekommen. Wäre es nicht Aufgabe der Medien, die Menschen bloss zu informieren und bei der Meinungsbildung unterstützende Arbeit zu leisten? Wieso vorenthält man den Menschen die Quellen und gibt komplett einseitig vorgefertigte Meinungen an das Volk weiter? Behaupten denn die westlichen Medien nicht, sie seien die einzigen freien Medien? Warum aber scheuen sie sich Gegenmeinungen auch Platz einzuräumen? Wieso haben sie Angst auch nur eine bisschen kritischere Haltung gegenüber der ?allgemeinen? öffentlichen Meinung einzunehmen? Und die viel wichtigere Frage ist: Wer bildet diese öffentliche Meinung und diktiert den Medien ihre Inhalte vor?
Eine Verbesserung in der heutigen politischen Welt ist längst fällig. Um unsere Auseinandersetzungen und Meinungsunterschiede beseitigen und bereinigen zu können, müsste man als erstes den Willen aufbringen, dem Anderen auch zuzuhören. Die Lösung der Probleme ist ohne aufrichtige Dialogführung schlicht unmöglich. Und um einen breiten Basiskonsens bezüglich der Problematik unter den Menschen erzielen zu können sind die Medien als Informationsträger unaverzichtbar. Sie haben dabei einen sehr wichtigen Beitrag zu leisten. Ihre Aufgabe wäre es,doch die Gesichtspunkte beider Seiten unverändert an das Volk weiter geben, damit auch die Menschen aufgefordert sind, sich ihre, von einseitigem, negativem medialem Einfluss befreit, individuelle Meinung zu bilden. Die beteiligten Parteien müssen den Willen des Dialogs zeigen. Die ?grossen? Mächte sollten da vielleicht in dieser Hinsicht für ihre Aussenpolitik, etwas von der ?kleinen? Schweiz lernen.