Für jede Krankheit gibt es eine Heilung. Und jedes ?Ding? in dieser Welt trägt zumindest den Keim möglicher Krankheit in sich.
Das Leben und das Selbstverständnis des modernen Menschen wird entscheidend durch Industrialisierung, Technisierung und ihr jüngstes Kind, die Digitalisierung geprägt. Dass diese nicht alleine als Segen für die Menschheit zu gelten hat, dürfte mittlerweile offenbar geworden sein, in der Tat stechen die inhärenten Nachteile davon immer klarer ins Auge. Offensichtlich sind die der jüngsten Entwicklung innewohnenden Gefahren und Schrecken, welche sich über den Erdball ausbreiten. Ob Industrie und Technologie - als eine an das kapitalistische Zinssystem gekoppelte Erscheinung ? schon an sich als ?Krankheit? zu bezeichnen wären, darüber liesse sich streiten; dass sie das Potential zu grossem Ungleichgewicht in sich tragen, lässt sich nicht mehr leugnen.
Seltsamerweise aber finden sich muslimischerseits nur leise Stimmen der Kritik gegenüber den Neuerungen technischer Art unserer Zeit. Es überwiegt bei weitem - vor allem in traditionell muslimischen Ländern - immer noch die Ansicht, dass der ?Rückstand? der muslimischen Welt auf der Ebene moderner Entdeckungen und Errungenschaften sowie der Mangel an Kontribution zu derselben ein Makel sei. (Selbst - ) Beschuldigungen werden laut, Entschuldigungen konstruiert. Man mag nicht dazu stehen und kann es nicht verstehen, dass und warum dieser Prozess aus dem muslimischen Raum - trotz ehemaliger Überlegenheit der Muslime in wissenschaftlicher Hinsicht - weder in seinen Anfängen noch in seiner Weiterführung wesentliche Beeinflussung und Lenkung erfuhr, sondern dass er die muslimische Welt im Gegenteil oft zu ihrem Nachteil überrannt und in wirtschaftlicher Hinsicht übervorteilt hat. Egal, welcher Richtung Muslime sich zuordnen (lassen), ob eher ?traditionell? oder gegenüber Neuem "aufgeschlossen? ob praktizierend oder nicht, der überwiegende Teil unserer Glaubensgeschwister meint, wenn die Moderne kritisch ins Visier genommen wird, nur den ideologischen Anteil davon und glaubt, dass dieser sich von seinen parallel laufenden oder ihnen gar vorausgehenden Manifestationen auf materieller Ebene getrennt verstehen liesse; Keine z. B. den protestantischen Amischen *), die sich allem technischen und industriellen Fortschritt konsequent zu entziehen suchten, auch nur annähernd vergleichbare Bewegung gibt es bis heute unter Muslimen ? und seien sie ansonsten noch so ?konservativ? und ?Neuerungen? abgetan.
Diese Tatsache dürfte der Entwicklung und Verwurzelung aller neuzeitlichen Errungenschaften vor allem in der westlichen Welt zuzuschreiben sein ? erst in jüngerer Vergangenheit kam vor allem aus dem Asiatischen Raum einiges an ?Rückendeckung? und Anreicherung dazu. Als Europäer, Amerikaner, sind ?wir?- bez. unsere Vorfahren - über Jahrhunderte durch die gängige Entwicklung geprägt worden, unsere Seele, unser Geist wurde in diesem Prozess über Generationen geformt. Das Wesen der Technisierung mit all? ihren ?Nebenwirkungen? und Folgeerscheinungen ist uns Europäern quasi ?mit der Muttermilch eingeflösst worden? ? wohingegen u.a. die traditionell muslimische Welt mit den bereits ?fertigen Emanationen? davon konfrontiert und infiziert wurde. Es gab keine Gelegenheit, das Neue angemessen zu reflektieren und zu filtrieren - eine andere Art der Kolonialisierung fand statt, eine durch Maschinen ? in den Händen von (wenigen) Menschen, Menschen, die die Produktion aller Mittel zu ihrer Herstellung und Kontrolle in der Hand hatten und haben und somit auch Macht über jene, die sie nicht haben, ausüben.
Wir Europäer haben das Entstehen und Wachsen dieses Prozesses auf jeder Ebene, körperlicher, seelischer, geistiger von Grund auf miterlebt und - gestaltet. Der jeweilige Zeitgeist wurde von jedem Mitglied der Gesellschaft, sei?s Fabrikarbeiter oder Professor, Hausfrau oder Wissenschaftlerin, Bettler oder König durchlebt. Von den Dichtern und Denkern jeder Epoche wurde er beschrieben. Als ?Denker?, die sich u. a. mit der Technisierung ihrer Umwelt befasst haben, kann man z. B. Johann Wolfgang Goethe oder Martin Heidegger nennen, um nur zwei der Herausragendsten von ihnen zu nennen, welche die Vorgänge ihrer Zeit im Spiegel am eigentlichen menschlichen SEIN mit Tiefgang und Scharfblick zu reflektieren vermochten. Neben den geschichtlichen Fakten, sind diese Reflexionen wahrhaft EINSICHTSvoller Geister von grosser Bedeutung für unser Verständnis der und Selbstverständnis in der Welt. Sie werfen ein erhellendes Licht auf das Wesen der Vorgänge, welches bis heute nichts an Relevanz eingebüsst hat. Egal, welcher politischen Richtung, welcher ideologischen Gesinnung wir solche Zeitzeugen zuordnen mögen, wir sollten uns sowohl davor hüten, sie zu übergehen als auch, sie ?schubladisieren? und uns über sie erheben zu wollen ? sind sie doch wertvolle Zeugen unseres eigenen Werdens!
Begnadete Denker nehmen die Differenzierung des Menschen TUNs vor dem Hintergrund seines eigentlichen SEINs vor. Eine Differenzierung, zu der jeder Mensch bis zu einem gewissen Grade selbst in der Lage ist, die er auch vornehmen sollte. Wenden wir uns in solchem Kontext unserer Moderne zu, erkennen wir schnell, dass die Technologisierung und Digitalisierung ein ungesundes Übergewicht des menschlichen Tuns und somit der Illusion der menschlichen Machbarkeit gegenüber seinem Sein bewirkt - klar erkennbar an allen Krankheitserscheinungen der heutigen Zeit wie ?Burnouts?, Depressionen und allgemeine Desorientierung aufgrund von oberflächlichem Dahineilen in Zeit und Raum. Nicht nur die ?Natur? ist überfordert, auch der Mensch, der Verursacher dieses Geschehens selbst.
Wenn wir über uns selbst und die Welt, in der wir leben auf diese Weise reflektieren, wollen wir erst einmal nichts anderes, als verstehen, woran wir sind, worum es geht. Wir müssen sowohl uns als ?moderne Menschen? als auch die Eigenheiten, das ?Wesen? unserer Zeit wirklich verstehen um die RICHTIGEN Heilmittel für die Krankheiten der Zeit zu finden, die ADÄQUATEN Operationen vornehmen zu können anstatt in einem Aktionismus, der bedeutende blinde Flecken aufweist, noch mehr Schaden anzurichten! Dazu sind wir alle aufs Äusserste gefordert und aufgerufen, unsere Einsichten durch diejenigen aller Menschen von Tiefgang zu erweitern!
Als Muslime nun wissen wir, dass der Islam Heilung für den Menschen bedeutet, einen Weg zu seiner Ganzwerdung, Erfüllung in der Anbetung Gottes. Einige Stellen im heiligen Qur? an weisen uns darauf hin, z. B.:
O ihr Menschen, zu euch ist nunmehr eine Ermahnung von eurem Herrn gekommen und eine Heilung für das, was in den Brüsten ist, eine Rechtleitung und Barmherzigkeit für die Gläubigen(10:57)
Und Wir offenbaren vom Qur??n, was für die Gläubigen Heilung und Barmherzigkeit ist; den Ungerechten aber mehrt es nur den Verlust.(17:82)
Lasst uns also ? uns Muslime jeglicher Herkunft - zusammenspannen, den Blick über den Rand einer kurzsichtigen, vorwiegend auf Machtverhältnisse fokussierten Betrachtung unserer Situation hinausschweifen lassen, aufeinander sowie auf die einsichtigen Menschen unserer Vergangenheit hören. Um uns die Hand zu reichen und im Islam selbst sowie aus der Tiefe unseres jeweiligen Seins und Werdens heraus Antworten auf die Herausforderungen unserer Zeit zu finden!