Um im Hier und Jetzt anzukommen, tut man gut daran, sich erst mal umzusehen, Vergangenheit und Zukunft etwas zu durchleuchten. Geschichte, Kultur und Philosophie der Vergangenheit eröffnet Welten und die lebendige Überlieferung verleiht der Sache zusätzlich Farbe. So sagte meine Grossmutter, Jahrgang 1904, immer wieder, das Aufkommen des Autos habe (für sie) ?alles verändert?. Mit Sicherheit gehörte jenes zu den einschneidenden Errungenschaften der menschlichen Einflussnahme auf den Lauf der Welt sowie auch auf die Steuerung der Naturgewalten. Seit der Erfindung des elektrischen Stroms bis ins Zeitalter der Digitalisierung vermitteln die Manifestationen der Technik zunehmend den Eindruck einer immer weniger überschaubaren und beherrschbaren Übermacht.
Alles, was hier in Bewegung versetzt wird, braucht Energie, und so verdeutlicht gerade das Energiemanagement, wie weit das gesunde Gleichgewicht aus dem Lot ist. Erdöl, Erdgas, und selbst die erneuerbaren Energiequellen, gehen in absehbarer Zeit zur Neige, es wird an Fusionskraftwerken geforscht, gegen die Atomkraftwerke nach Aussagen von Experten ?einfache Anlagen? sind. Ressourcenprobleme aller Art, bis hin zur Trinkwasserknappheit beschäftigen die Welt.
Eine kleine Recherche der aktuellen Zukunftsprognosen brachte überdies folgendes: In Biologie und Medizin bahnen sich umwälzende Neuerungen an: Ohne Bio ? und Gentechnologie wird die Lebensmittelindustrie nicht mehr auskommen. Tiere, Pflanzen und Insekten sollen gentechnisch verändert werden, neu entwickelte Formen von Pilzen, Viren usw. in Schach halten, was sich aus dem natürlichen Kontext und Gleichgewicht gelöst hat. Enzyme, Zellen und Organismen finden schon jetzt ihren Weg in Medikamente, Waschmittel und Kosmetika. An Fleisch aus Zellen wird geforscht, eine ?tierfreie Gesellschaft? wird anvisiert. In der Medizin sind u.a. Nanopartikel auf dem Vormarsch, hervorragende Katalysatoren und Leiter, die z. B. in unseren Blutbahnen nach Cholesterin ? und Krebszellen fahnden und diese eliminieren. Aus ausgelagerten Hirnnervenzellen (Stammzellen) werden ?Minibrains? gezüchtet, jedem Organ des Körpers kann man schon jetzt Zellen entnehmen, um daraus ?Organoide? zu züchten, die angereichert oder herabreduziert verschiedentlich kombiniert und manipuliert werden.
Im Bereich IT, KI (Künstliche Intelligenz) und Robotik tun sich überwältigende Perspektiven auf: Auf blosse 1% des technologischen Wissens, das uns im Jahr 2050 zugänglich sein wird, schätzen Forscher unser heutiges know-how. Gemäss dem Moor?schen Gesetz nämlich verläuft die technologische Entwicklung exponentiell und verdoppelt sich alle 16 - 24 Monate. Im Bereich der Robotik, der Quanten ? und der Nanotechnologie, werden so sprunghafte Entwicklungen vorausgesagt. Automatisierte Transportsysteme, Steuerung von Gegenständen allein durch Stimm ? oder Gesichtserkennung sollen zum Alltag gehören. Roboter, in Asien bereits mannigfach im Einsatz, werden sowohl im Haushalt, in Krankenhäusern und Heimen, in Supermärkten und in der Landwirtschaft eingesetzt, wie auch in der Industrie, im militärischen Bereich und in der Forschung. Sie sollen bis 2040 die Intelligenz von Menschen überflügeln, werden ein ihm ähnliches Bewusstsein und Gefühle entwickeln und in vielerlei Hinsicht als ein dem Menschen gleichwertiges oder gar überlegenes Gegenüber akzeptiert werden. Sie werden natürlich auch die Arbeitswelt massiv verändern, bereits jetzt sind sie in Asien im Vormarsch. Es wird in der Folge zu einem Stellenabbau grandiosen Ausmasses kommen, man spricht von 40 ? 60% aller Stellen (siehe futuromat.iab.de). Sicherlich werden Jobs in der Administration, aber auch in der technischen Sparte im grossen Stil entfallen, Chauffeure, Labortechniker, medizinisches Hilfspersonal oder auch Bäcker werden überflüssig. Einige Berufe hingegen, wie der des Softwareentwicklers, Ingenieurs oder Robotertechnikers werden grosse Nachfrage erfahren. Die Schere zwischen Arm und Reich klafft also ? parallel zum Mass an technologischem Know How - nochmals weiter auseinander und im digitalen Bereich könnten Giganten wie Google, Facebook und Amazon ihren Platz als alleinige Marktherrscher festigen. Diese Art Giganten werden durch den Quantencomputer gespeist und unterhalten, bereits seit 2012 in kommerzieller Herstellung, er arbeitet mit sogenannten Qubits, die sich gleichzeitig in mehreren Zuständen befinden können, mit ?evolutionären Programmen, die sich ständig selbst weiterentwickeln, verbessern und mit der Zeit gar selbst reproduzieren?. Was so ein Computer, der in nächster Zukunft bereits die Hirnkapazität der gesamten, vernetzten Menschheit übertreffen kann, bewirken könnte, beschreiben verschiedene Szenarien. Der Zukunftsforscher Ray Kurzweil hat dazu ein Buch mit dem Titel ?die Singularität naht? geschrieben.
Der Mensch, wie wir ihn heute kennen, wird laut Zukunftsforschern wie Ray Kurzweil oder Gerd Leonhard, praktisch inexistent sein und als ?Cyborg? seinem technisch entwickelten Gegenüber, dem Roboter immer ähnlicher werden. Implantierte Chips, «RFID-Transponder», so klein wie ein Reiskorn, sowie kleinste Nanocomputer, werden im grossen Stil in Gegenstände und Lebewesen integriert, die so automatisch identifiziert und lokalisiert werden können und in Echtzeit weltweit miteinander kommunizieren und interagieren können. «IT verschmilzt mit dem jeweiligen Objekt; die Hardware (Computer) verliert an Bedeutung». Die Wahrnehmung von Wirklichkeit dürfte sich massiv wandeln, da menschliche Gehirne über Schnittstellen mit Computern verbunden, Informationen downloaden, Maschinen steuern und mit Hilfe von Implantaten oder Neurotelepathie durch künstliche Welten ?angereichert? werden. Die im Gehirn gespeicherten Informationen und Wahrnehmungen lassen sich auch umgekehrt auf den Computer übertragen. Nicht nur das Wissen und das Gedächtnis könne durch einen derartigen ?Upload? geboostet werden, sondern auch die Persönlichkeit und Psyche zum Beispiel eines gestorbenen Menschen kann transferiert werden. Dann würde ein Individuum im Computer (oder in einem Roboter) weiterleben?. Viele Menschen würden dann lieber in virtuellen Welten als in der Wirklichkeit leben; virtuelle Kontakte würden immer mehr persönliche Beziehungen ersetzen, Roboter und Computersysteme den Platz von Menschen als Bezugspersonen und Sexualpartnern einnehmen. Spätestens 2050, so schätzt der Wissenschaftsautor David Levy, werden Ehen zwischen Menschen und Robotern eingegangen.
Wissenschaftler und andere wache Geister beschäftigt vor allem auch die Problematik der ethischen Handhabe dieser heraufziehenden, übermächtigen Gewalt. Computern und Robotern fehlt, naturgemäss könnte man vielleicht sagen, ein moralisch ? ethisches Empfinden. Der Mensch, virtuell ?angereichert?, ständig optimiert und ?upgedatet? könnte zwar, unter glücklichen Umständen einen Spielraum der Freiheit geniessen, weniger arbeiten müssen und seine Lebensspanne erheblich verlängern. Dennoch könnte es sein, dass seine eigene Entwicklung ihn völlig überfordert, ihm entgleitet. Als ?mit atomarer Energie vergleichbar? umschreibt der Zukunftsforscher Gerd Leonhard die Kräfte, die auf den Menschen dann einwirken. "Wenn Technologie so kraftvoll, so billig wird und so allpräsent, gross und mächtig ist, brauchen wir? Ethikwerte, Gesetze, Regeln die die menschlichen Beziehungen regelt. Sozialkontakte, Menschlichkeit und Sinnfindung bekommen ein neues Gewicht."
Dass das, was hier in technischem Gewand auf uns zukommt, mit einer sich stets wandelnden, systeminhärenten Ideologie einhergeht und auf dieses rückwirkt, versteht sich von selbst. Eine Art Ideologie ist hier treibende und formende Kraft, ja wirkmächtiger Religionsersatz, da sie sich anmasst, religiöse Inhalte samt zugehöriger Terminologie alleine im Weltlichen zu verstehen, auszubauen und auf dieses zu beschränken. Sie liefert eine scheinbar komplette Matrix für unsere Gedanken und Handlungen ? und zwingt, als Implikation quasi, die ursprünglichen Religionen ebenfalls auf die Basis der Ideologie. Ein ?säkulares Heilsversprechen, das eigentlich eine apokalyptische Ideologie ist?, nennt sie der Journalist Stefan Weidner, eine, die eine ?Entfremdungsintoleranz? mit sich bringt, die alles beseitigen möchte, das nicht den Vorstellungen und Wünschen entspricht. Aber: ?nur ein totalitäres System kann eine völlige Gleichschaltung von Bewusstsein und Realität herstellen?. Herbert Marcuse stellt bereits vor ca. einem Jahrhundert fest: ?Das Perfideste ist, dass es keine Entfremdungserfahrung mehr gibt. Der Mensch findet seine Seele im Auto, HiFi und Küchengerät wieder? Wenn er gewusst hätte, wie visionär sich diese Erkenntnis noch erweisen würde!
Der israelische Historiker und Autor Yuval Harari, beschreibt eine sich um die Zeit der Aufklärung angebahnte Verlagerung der Zuschreibung von Autorität. Weg vom Göttlichen hin zum menschlichen Gefühl als massgebende Autorität in der Vorstellung des Humanismus und aktuell die «Revolution des Dataismus», die den Daten ultimative Macht und Relevanz zuschreibt. Daten, rekrutiert aus menschlichen Gefühlen, Gedanken und Neigungen, die auch als «gefragtester Rohstoff» unserer Zeit gelten, als virtuelle Währung, die wir durch unser Verhalten produzieren und dem wir gleichzeitig Macht und Autorität über uns zugestehen. Harari glaubt, wir fahren damit fort, dies zu tun, «weil wir mehr Macht und Glück haben wollen. Und wir glauben, wir könnten dies erreichen, indem wir unseren Körper, unser Gehirn und sogar unseren Geist verändern»Trotzdem sei der Glaube an Gott nicht verschwunden, nur ?viel weniger wichtig als je zuvor in der Geschichte.» Die Menschen glauben an Ihn, ?weil ihre Gefühle ihnen sagen, dass sie das tun sollen. Sogar in der Religion sind Gefühle die Hauptquelle der Autorität». Von einer aktiven zu einer reaktiven Kraft hätten sich die Religionen gewandelt. «Im Mittelalter war die christliche Kirche die Instanz, die dem Silicon Valley am nächsten kam».
Kurzer Blick zurück, die Medien berichten: 200 Jahre Marx, 50 Jahre Studentenkrawalle. Die Rückblende in die 68er ist aufschlussreich. So vermittelte gerade eben der Historiker und Philosoph Philipp Felsch im Schweizer Fernsehen einen scharfsinnigen und aussagekräftigen Einblick ins Gedankengut Theodor Adornos, Max Horkheimers und Herbert Marcuses (Frankfurter Philosophenschule), die Marx aus der Zeit heraus, in der sie lebten, neu verstehen wollten. Dass die ?Überwindung der mythischen, den Naturgewalten ausgesetzten menschlichen Entwicklung» unverbrüchlich mit einer «enormen Gewalt sich selbst und den Anderen gegenüber» verbunden ist, beschrieb bereits Adorno. «Die Gefesseltheit (beispielhaft die des Odysseus, die er analog zur Erfahrung unserer Selbst in der Technik sieht), ist der Preis fürs Hören der Sirenen» Die «verwaltete Welt» sei «kryptofaschistisch», sie ?hat die Eigenschaft, maximalinvasiv zu sein, durchdringt jede Pore der Gesellschaft?. Die ?faschistoide Durchbürokratisierung? spiegelt sich nicht zuletzt in den Medien wider, die eine ?Mentalität erzeugen, für die Recht und Unrecht, wahr und falsch vorherbestimmt sind??. Die 68er- Aktivisten allerdings fühlten sich letztendlich dem Denken Marcuses zugeneigt, der, anders als Adorno, in vermehrter ?Triebbefreiung und Annäherung an die Natur? die Lösung suchte. Zu einem eher unvermittelten Aus ? oder Einbruch in die Gefühlswelt also einlud, einer überstürzten Befreiung aus dem ?Gefesseltsein?, die sich aber letztendlich selbst nur als inhärenter Faktor dieser unbeherrschbaren Kräfte erfahren konnte. Dass aus der Bewegung nichts Neues entsprang, sondern dass sie, ganz Kind ihrer Zeit, alleine zu einer Verstärkung der ökonomisch fundierten Liberalisierung der Gesellschaft beitrug, hat sich im Nachhinein erwiesen.
Auch die damit einhergehende Frauenbewegung, Teil der 68er ? Revolten, birgt Erhellendes. So war, ebenfalls in einer Doku des Schweizer Fernsehens letzthin eine Pionierin in der Schweizer Feministinnenbewegung, Andree Valentin, zu sehen die unter anderem resümierte: die «Pille» habe Frauen «unabhängig von unserer biologischen Konstitution» gemacht. Meines Erachtens kann dieser Feststellung gar nicht genug Beachtung geschenkt werden, benennt sie doch einen Meilenstein in der Entwicklung der Entfremdung von uns selbst, der Entfernung, des Wegdriftens des Menschen von seiner lebendigen Beschaffenheit im ursprünglichen, Kontext. Das Weibliche, Hort der Fruchtbarkeit und des werdenden neuen Lebens, gleichzeitig Mittlerin und Bindeglied zwischen Menschen und Lebensformen, vermag zu beheimaten, umsorgen und nähren, zu einen und versöhnen und während das Männliche zeugt, unterscheidend auseinanderhält, auch schützt. Die - biologische und damit einhergehende ideologische - Manipulation dieser Ureinheit, Grundlage jedes lebendigen Organismus, kann nicht folgenlos bleiben. Ein Blick ins Reich der Nutztiere ? Analogien in der Manifestation des Zeitgeists sind anzunehmen - spricht Bände über die dem ökonomischen Taktgeber entsprechende Handhabe dieser beiden Pole: Ausbeutung bis zur Erschöpfung und Bezwingung des Männlichen: Tötung und Vernichtung bis auf eine Auslese.
So überrascht es wenig, wenn der Versuch einer ersehnten ? und im Kontext der ?gefesselten?, ?durchbürokratisierten? Gesellschaft auch durchaus verständlichen - ? Befreiung? zwei Generation später ziemlich vernichtende Ergebnisse zeigt. Ihre Wahrnehmung der aktuellen Landschaft beschreibt zum Beispiel Tamara Funiciello, SP Schweiz als: ?mega gewalttätig? mega heftig ? Bilder ? die einem eingepflanzt werden ? das Gefühl, etwas machen zu müssen, ohne zu wissen, ob man das gerne möchte?. Dass gerade auch Männer Opfer dieses immensen Drucks sind, versteht sich von selbst, auch für Valentin, die mit ihren 74 Jahren gewiss über eine umfangreiche Lebenserfahrung verfügt.
Weder die MeToo ? Debatte noch irgendeine Debatte der Gegenwart kann im Grunde genommen ohne den Aspekt der Modifizierung der Natur, der Sprengung von Zusammengehörigem und ohne die Macht ? und Autoritätsfrage im Sinne des oben Umrissenen geführt werden. Auf das Geschwisterpaar Sexualität und Macht sollte ein besonderer Fokus gelegt werden. Der Philosoph und Soziologe Michel Foucault ging davon aus, dass eine Disziplinarmacht ihre Machtstruktur im gesamten gesellschaftspolitischen Körper verteilt, ?sie dringt in Körper ein, dressiert sie und richtet sie zu?. Gleichzeitig jedoch ist sie ein ?Geflecht? wovon jedes Individuum Teil ist. Macht sei immer involviert, wenn zwei Menschen interagieren, sie geht ?von jedem Einzelnen aus, immer und überall.? Die Sexualität begriff er als Angelpunkt zwischen der Disziplinierung der Körper und der Kontrolle der Bevölkerung. ?Die moderne Macht herrscht mit den Lüsten über das Leben?.
Byu Chul Han, deutsch ? koreanischer Philosoph sagte es kürzlich so: ?Die Disziplinarmacht weicht einer Smarten Macht mit freiheitlichem, ja, freundlichem Aussehen, die anregt oder verführt und nicht androht oder verordnet. Im Gegensatz zur Disziplinarmacht , die repressiv, unterdrückend und inhibitiv, verbietend ist, ist die Smarte Macht seduktiv, dh. verführend und permissiv, erlaubend. Sie ist bemüht, positive Emotionen hervorzurufen und auszubeuten. Sie verführt statt zu verbieten, statt sich uns entgegenzusetzen, kommt sie uns entgegen. Im religiösen Kontext tut sich hier eine sehr unangenehme Assoziation auf.
Wohl wissen wir, dass Gott, ALLAH die Macht an sich ist. La Hawla wa La Quwwata illa biLlah, sagen wir Muslime. Jedoch sind wir dabei, mit den Attributen, die Er uns geliehen hat, unter anderem der Macht, ein gefährliches Experiment der Auslagerung in nicht mehr kontrollierbare Bereiche zu betreiben. Die Tendenz dieser Kraft, sich als unvermittelter Einbruch des Irrationalen zu manifestieren, hat zum Beispiel Cristopher Clark im Buch Die Schlafwandler beeindruckend illustriert, eine Schilderung der Ära vor dem ersten Weltkrieg. Allen rationalen Erwägungen zum Trotz gaben sich die Machthaber damals einer Dynamik hin, die spürbar im Irrationalen lag. Und sie manifestiert sich ebenfalls in Form der Terror ? und Gewaltakte der Gegenwart. Je weiter die Entfremdung voranschreitet, je mehr sich der ?technologische Schleier? verdichtet, und vergessen wird, dass er der ?verlängerte Arm? des Menschen selbst ist, (Adorno) desto mächtiger wird er uns erscheinen und umso heftiger sich gegen uns wenden, und sein ?Wesen?, sein Gesicht offenbaren, das wir ihm selbst verliehen haben. ?Paradoxerweise?, so stellte schon Foucault fest, ?führen die Humanwissenschaften nicht zur Vergötterung des Menschen sondern zu seinem Verschwinden.? Auch dies eine mehrdeutige, visionäre Einsicht.
Die Beschäftigung mit dem Gedankengut der Moderne mag auch für uns Muslime ein essentieller Anstoss zur Aufarbeitung unserer Situation sein. Vor allem auch die muslimische Gelehrsamkeit wäre hier gefragt. Letztendlich aber sind wir alle Teil eines Geschehens, welches längst alle Bereiche unseres Alltags erfasst hat und dabei ist, immer tiefer in unser Eigenes, Privates, einzudringen und es zu verändern. Wir nehmen, besonders als bewusste und spirituell empfindende Menschen wahr, dass da eine Kraft auf uns einwirkt, die unseren Glauben touchiert. Eine Kraft, in deren Sog und unter deren Diktat wir uns ständig ?optimieren? sollen (und wollen), die ständig unsere Aufmerksamkeit beansprucht, die uns überwacht und der wir Macht, Wissen, Schutzfunktion und Versorgung zuschreiben. In deren Hände wir unsere Gesundheit, unser Vertrauen, unser Leben gar zu legen neigen. Es liegt also an jedem Einzelnen, sich hier selbst zu hinterfragen und Verantwortung zu übernehmen.
Der Heilige Qur?an ist ein Schatz an Rechtleitung. Hudan wa Rahmatan lil Alamin. Leitung und Barmherzigkeit für die Welten. Sowohl wissen wir daraus, dass RIBA, die Schöpfung und Vermehrung des Tauschmittels aus dem Nichts Allah verhasst ist und mit Wahnsinn in Verbindung gebracht wird. (2:275). Wir können daraus auch immer wieder entnehmen, dass das, was ALLAH, unser Schöpfer zu vereinen wünscht, nicht ungestraft getrennt wird, besonders auch, da die Praxis der Zauberei in diesem Zusammenhang erwähnt wird (Sure 2: 102-103). Und dass, was ER auseinanderzuhalten wünscht, nicht folgenlos durcheinandergebracht wird. Auch entnehmen wir, dass Allah, unser Schöpfer und Erhalter die Veränderung der Schöpfung verabscheut und sanktioniert. (z. B. 4:119)
Nicht nur schöpfen wir gegenwärtig unser Tauschmittel aus dem Nichts sondern parallel dazu neue Lebensformen, auf der Grundlage vorangegangener Teilung und Spaltung. In der Tat eine gewaltige Angelegenheit.
Die Themenbereiche der muslimischen Gemeinschaftsformen, des Zins und der Zakat wären für einen alternativen Weg bestimmt richtunggebend, Widerstände in und um uns zu erwarten.
Sicher ist auch: Im Zentrum jeder Entwicklung steht Austausch. Die Beschaffenheit unserer Transaktionen auf materieller wie spiritueller Ebene, die Projektionen, mit denen wir sie behaften, bestimmen unser Leben. Der Ramadan, der Monat des Heiligen Qur?an, birgt die Gelegenheit, diese Transaktionen zu reinigen. Hinwendung zu ALLAH, Der uns Leben, Rechtleitung, Versorgung und Gesundheit gibt, und auf dessen Vergebung wir hoffen und Zusammenkünfte von Menschen um Seinetwillen prägen diese Zeit. Keine Macht und Kraft ausser Ihm, Erhaben ist Er über jede Beigesellung. Ramadan Mubarak!