Heimat, das kann ein Ort sein, an dem es uns "warm ums Herz" wird. Wir kennen Farben und Formen, Strassenbilder, Athmosphäre, Gerüche und Geräusche. Es sind uns die Windungen der Strassen, deren Bodenwellen vertraut, wir wissen, welches Bild uns hinter der nächsten Ecke erwartet, verbinden jedes Fleckchen mit Erlebnissen, Personen, Situationen, Gefühlslagen und fühlen uns - im Rückblick zumindest - in all diesen Stationen des Lebens aufgehoben. "Daheim" eben. Denn dieses Stück Erde hat uns getragen in "guten und schlechten" Zeiten, hat uns "Stabiliät" vermittelt in Momenten der Freude und Erfülltheit, in denen der Trübsal oder der Erschütterung, der Bodenlosigkeit in uns selbst. Die Wärme in unserem Herzen, die sich in der Heimat einstellt, kann grossenteils als Dankbarkeit für dieses "Tragen" eingestuft werden.
Heimat kann aber auch ein "Ort" sein, an dem wir im weiteren Sinne "wohnen". "Daheim" sein (oder nicht) können wir auch in Tätigkeiten, Sprachen, Verhaltensweisen und Gewohnheiten, geistigen Betrachtungen oder menschlichen Beziehungen. Alles, was unser Wesen zum Schwingen und Klingen zu bringen vermag, Resonanz ermöglicht, unserem Sein einen "Klangkörper" zu verleihen vermag, wird als ein Stück "Heimat" empfunden. Sobald es einem Wesensanteil von uns gelingt, in solch einem "Raum" oder "Feld" in harmonische Schwingung zu kommen, empfindet es Geborgenheit, Zuhausesein.
Der Philosoph Martin Heidegger hat dieses Daheimsein im Sinne eines "Austragens der Fülle, Weite, Tiefe, Heimatilichkeit und Ewigkeit" des "liebenden in der Welt Sein Könnens" der "Grundbefindlichkeit der Angst des auf sich selbst zurückgeworfenen, isolierten Daseins" entgegengestellt. Heidegger hat den Begriff des WOHNENS transzendent gesetzt, dieses Wohnen (in der Welt) gar mit dem Sein des Menschen identifiziert. Er definiert es als "ontologisches Geschehen" (Geschehen des Seins), es stelle den Menschen "aus dem Alltag heraus in dessen Seinswahrheit."*) Dieses "Wohnen des (menschlichen) Feldes" in einem "Raum" beschreibt er als "vermittelndes Gebäude zwischen Mensch und Welt", das heisst, als ein Fundament, welches im erweiterten Raum einen Ausgangsort bietet. Allerdings handelt es sich gemäss Heidegger nicht um statische Gebäude, in denen wir es uns "bequem" machen können, sondern es ist das (dynamische) Bauen, als Wahr - nehmen des menschlichen Seins sowie auch das Denken, welches er immer als ein "Hindenken selbst zu einem fernen Ort" begreift, in dem es nicht um ein Sich - Einrichten geht sondern um menschliche Selbstverwirklichung. "Im Bauen verwirklicht sich der Mensch, insofern wohnt er."
Wir brauchen also einerseits Bezugspunkte bezw. - felder in unserer Existenz um uns in der Welt zurechtzufinden. "Orte" im weitesten Sinne, die dazu geeignet sind, unserem Wesen jenes Erklingen zu ermöglichen, welches in seiner Steigerung ins Orchester des Lobpreises Gottes einzustimmen vermag. "Räume" als Orte für das Tun des "Bauens", durch welches wir in etwas grösseres "hineinweben" und " - schwingen" und durch welches wir unser Menschsein verwirklichen.
Diese Ausgangsorte unseres Tuns sind in gegenwärtiger Zeit starkem Wandel unterworfen. Der "Takt" welcher den Ton unseres "Bauens" angibt, wird ständig schneller, härter, oberflächlicher. Die stetige Herausforderung zur Anpassung an durch technisch - elektronische Entwicklungen auferlegte Veränderungen verlangt uns viel an Flexibilität, auch Kraft ab, fordert ein grosses Mass an Fokussierung auf das "Aussen", welches wir häufig nur auf Kosten unseres zutiefst menschlichen, individuellen "Hineinbauens" in tiefere, weitere Räume aufbringen können.
Ortsbilder verändern sich von demütiger Ausgewogenheit und Schönheit, hin zur Manifestation von Extremen menschlicher Machbarkeit. Tätigkeiten unterliegen zunehmend dem Diktat weltweit gleichgeschalteter (elektronisch gesteuerter) Takte und Rhythmen, umfassen längst nicht mehr das eigentliche Potential unserer Kreativität und werden, besonders diejenigen des Broterwerbs, als zunehmend einschränkend, einseitig auslaugend, Selbstverleugnung fordernd empfunden. Menschliche Begegnungen finden - in entsprechend abgeflachter Forme - grossenteils auf Bildschirmen statt, die zu unseren ständigen Begleitern und erstrangigen Bezugspunkten geworden sind. Ja, man kann wohl mit Fug und Recht behaupten, eines unserer wichtigsten "Zuhause" ist heutzutage jenes des "World Wide Web" - hier "wohnen" wir, hier "bauen" wir.... Beziehungen, Gefühle und Erlebnisse bleiben immer öfter an der Oberfläche unserer Wahrnehmung und in ihrem Ausdruck weit hinter dem eigentlich Möglichen unseres Seins und Werdens zurück. Der harte, monotone Rhythmus, welcher auch die moderne Musik charakterisiert, hat sich in allen Lebensbereichen niedergeschlagen, vom befehlenden Stakkato der Elektronik getrieben jagen wir immer weiter hinein die Breite alles Machbaren, hinaus aus der Tiefe des Seins.
Um der "Grundbefindlichkeit der Angst" entgegenhalten zu können, um sie als Platzhalter in der Tiefe unserer Wesen in ihre Schranken zu weisen, kämen wir nicht umhin, dem "liebenden In - Der - Welt - Sein - Können" alle nur möglichen Formen und Gestalten zu geben, neue "Resonanzkörper" zu bilden, in denen unser (liebendes) Sein in seinen Tiefen zu schwingen vermag. Selbst Instrument obliegt es uns gleichzeitig, uns den kosmischen, göttlichen Melodien und Rhythmen zu öffnen, unserem Wohnen, unserem Daheimsein wieder die ihm gebührende Weite - Fülle - Tiefe zuzugestehen. Unserem menschlichen Dasein die Tore wieder weit zu öffnen, welche ihm das "Bauen" hinein ins Bleibende, Ewige - einzig wirkliche Zuhause erlauben.
*)Eduard Heinrich Führ : Martin Heideggers Phänomenologie des Wohnens