In Wikipedia finden wir: Sekte - von lateinisch secta ?Partei?, ?Lehre?, ?Schulrichtung? - ist eine ursprünglich wertneutrale Bezeichnung für eine philosophische, religiöse oder politische Gruppierung, die sich durch ihre Lehre oder ihren Ritus von vorherrschenden Überzeugungen? unterscheidet und oft im Konflikt mit ihnen steht. Insbesondere steht der Begriff für eine von einer Mutterreligion abgespaltene religiöse Gemeinschaft.
Es werden drei Kriterien als massgeblich für die Kennzeichnung einer (religiösen )Gruppierung als ?Sekte? gesehen:
- ?Absolute Führung?, will heissen, eine Führung, die keiner übergeordneten Instanz Rechenschaft schuldet und der bedingungslos gehorcht wird.
- Abschottung gegenüber Nichtmitgliedern, Isolation innerhalb der Gesellschaft
- Gruppendruck, gegenseitige Überwachung innerhalb der Gruppe
Als Muslime kommen wir heutzutage nicht umhin, uns selbst und unsere Verhaltensweisen, unsere Gemeinschaften und Strukturen an den Definitionen, der Terminologie der ?Moderne? zu spiegeln. Eine nicht einfache aber letztendlich aufschlussreiche, läuternde Herausforderung.
Natürlich sind wir zuallererst unseren eigenen muslimischen Vorgaben verpflichtet und müssen diese an erster Stelle unter die Lupe nehmen, ernstnehmen und umsetzen. Wir haben im Islam solche Vorgaben für das Individuum ebenso wie für die Gemeinschaft, die beide als gleichrangig einzustufen sind; in gleichem Masse unerlässlich, um die Vollständigkeit, Erhabenheit und Schönheit des Islam und dessen Entfaltungspotential zu erfahren und zu verwirklichen.
Essenziell für die islamischen Gemeinschaft ist zwingend die gemeinschafliche Anordnung unter einer gottesfürchtigen, kompetenten Führung, welche die Etablierung der "fünf Säulen" sowie die Umsetzung aller innerhalb ihres Rahmens definierten Inhalte (Scharia) sicherstellt sowie den mehrheitlichen Konsens der Gelehrten (Idschtihad) innerhalb des Fiqh berücksichtigt. Sodann auch die Erstellung der dazu erforderlichen Struktur anstrebt: Moschee (Gemeinschaftsgebet), Instanz zur Eintreibung und Verwaltung der Zakat (Pflichtabgabe für Vermögen). Ausserdem die Gewährleistung einer auf ökonomischen sowie rechtlichen Ebene ?halalen? (islamisch erlaubten) Art des zwischenmenschlichen Austauschs auf der Basis eines gesunden Markts sowie einer intakten Jurisprudenz.
Jeder einzelne Muslim kennt diese Bedingungen des muslimischen Zusammenlebens oder kann sich das Wissen darüber aneignen, wenn er es möchte und JEDE Führung - im grossen wie im kleinen Rahmen - ist diesen verpflichtet. Wie jede menschliche Gemeischaft lebt und atmet auch die islamische durch das Zusammenspiel sowohl ihrer Individuen als auch einer Vielzahl von Kleingruppen ? von der Familie über soziale oder geschäftliche Vereinigungen bis hin zu religiös ausgerichteten Gemeinschaften (Sufi ? Tariqas). Jede von ihnen hat ihre vitale Funktion innerhalb des grösseren Zusammenhangs und somit ein Anrecht auf ihre individuelle Vielfalt und Vielschichtigkeit, Struktur und Dynamik, Hierarchie und Führung.
Das zentrale Anliegen einer Sufi ? Tariqa ist die Stärkung des Gottesbewusstseins innerhalb des unmittelbaren Lebensumfelds, die Läuterung des Herzens und das Hinauswachsen über das eigene Ego, hinein ins übergeordnete Göttliche. Ebenso auch die Vertiefung und Verfeinerung des zwischenmenchlichen Umgangs sowohl innerhalb engerem Rahmens als auch in jedem darüber hinausgehenden Austausch. Von politischen - ideologischen oder sozial geprägten Vereinigungen unterscheiden sich solche "Tariqas" durch ihren Schwerpunkt auf dem Aspekt der Schulung des Herzens auch in dessen Hinwendung zu Allah, Gott; von ?Sekten? unterscheiden sie sich insofern, als sie weder die Grundlagen ihrer Religion ausser Acht lassen, noch sich von einer allfälligen verantwortungsvollen übergeordneten Führung bezw. innerhalb des Sunnitischen Islams vom Mehrheitskonsens der "Ahlu Sunna wa Jamaa" lossagen. Bei aller Loyalität gegenüber der eigenen engeren Gemeinschaft darf das Bewusstsein der Verbundenheit mit übrigen Kreisen und ein gleichermassen von Wertschätzung, Wohlwollen und Rücksicht getragener Umgang mit jedem Gegenüber nicht vernachläsigt werden, ein feinfühliges Masshalten in der Handhabe alles Geschaffenen ist unabdingbar. Keinesfalls kann sich jedwede muslimische Gemeinschaft in die Isolation begeben, keinesfalls dürfen ihre Einzelmitglieder auf der anderen Seite unter Druck gesetzt, gar "überwacht" werden; Das qur' anische "la ikraha fi Din" - kein Zwang im Glauben (Sure 2:256) - behält seine Gültigkeit, was zwar die Einwilligung des Einzelnen in persönliche Einschränkungen, individuelles Auferlegen von Härten und Disziplin im Kontext des "höheren Ziels" , göttliches Wohlgefallen zu erlangen, nicht auschliesst, jedoch an das Prädikt der persönlichen Freiheit und Selbstbestimmung nicht rühren darf.
So oder so - Gemeinschaft pflegen wir als Menschen immer. Ob in Familie, am Arbeitsplatz, in religiöser oder anderer "Gruppierung": die Gemeinschaft/-en, denen wir angehören, prägen uns, sie erlauben uns Entfaltung, weisen uns in Grenzen. Können dem Guten, Heilsamen in uns ebenso wie dem Schlechten, Verderblichen zum Gedeih verhelfen. Niemals wird eine Gemeinschaft ohne Fehl und Tadel sein, niemals eine Führung ohne jeden Makel. Die Formation von Gemeinschaft im Kleinen jedoch ist Voraussetzung für Zusammenschluss der Menschen im grösseren Rahmen - nur durch überschaubare, intakte Einheiten bildet sich dynamisches Zusammenspiel auch darüber hinaus - eigentlich eine Notwendigkeit im Islam.
Als Muslime wissen wir, dass unser Prophet Muhammad, der Frede und Segen Gottes sei auf ihm, uns vor derjenigen Gesellschaft gewarnt hat, die uns ?bis zu den Toren des Höllenfeuers führt? wissen aber auch, dass uns die "Gemeinschaft vorgeschrieben ist, denn der Wolf frisst das einzelgehende Schaf". Auch das Festhalten an Strukturen ist vonnöten: ?Wer von seinem Amir (verantwortlichem Führer) etwas erlebt, das ihm zuwider ist, der soll geduldig sein; denn wer sich von der Gemeinschaft (der Muslime) um eine Handbreite distanziert und stirbt, der stirbt mit dem Brauchtum der Gahiliyya (Unwissenheit)?.
Wohl dem, der in einer Zeit des Auseinanderstrebens aller Entitäten und des Verlustiggehens substantieller Wirkungskraft alles Individuellen seine persönliche Zugehörigkeit zu einer lebendigen Gemeinschaft finden mag, zu dieser " ja" zu sagen vermag und es sich auferlegt, seinen ganz eigenen Weg unter Einbezug dieses Rahmens fortzuführen. Wohl auch dem und Wohl derjenigen Menschengemeinschaft (gleich welcher Art), die sich inneres und äusseres Wachsen zum Aliegen macht. Die bestrebt ist, Verbindungen des Herzens zu pflegen, Grenzen zu sprengen, neuen Verbindungen Substanz, Farbe und Gestalt zu verleihen.
Wir kennen auch die Verheissung unseres Propheten, Friede sei mit ihm: "Wer von meiner Umma in Zeiten der Aufruhr meine Sunna wiederbelebt, erhält die Belohnung von hundert Märtyrern"
Es gibt hier noch viel zu tun!
Möge Gott der Erhabene uns rechtleiten und Sein Friede und Seine Barmherzigkeit sei auf Seinem Propheten Muhammad und dessen Gemeinde.